Wie ein zarter Schmetterling:Alexandru Simon im Interview

Glasswing heißt der Neuzugang am Kärntner Ring, dessen Name von einem Schmetterling mit transparenten Flügeln inspiriert wurde. Das Luxus-Boutiquehotel Amauris Vienna, in dem sich das Restaurant befindet, wurde zwei Jahre lang umgebaut, nun kann man dort nicht nur in exklusivem Rahmen übernachten, sondern auch Gourmetmenüs von Chef de Cuisine Alexandru Simon genießen. Für Tage, an denen es keine sieben Gänge sein sollen, gibt es nebenan auch im Bistro Platz. Simon zeichnet für beide Küchen verantwortlich: Im Glasswing zelebriert er seine moderne und weltoffene Vorstellung der gehobenen österreichischen Küche, im Bistro geht es ebenso hochwertig, aber doch bodenständiger zu. Wie haben mit Simon über seine Küchenwelt gesprochen.

Wie ein zarter Schmetterling:Alexandru Simon im Interview

Tradition, gepaart mit Experimentierfreude: So wird Ihr Stil als Chef de Cuisine im neuen Gourmetrestaurant Glasswing beschrieben. Trifft diese Definition auch auf Sie als Mensch zu?
Auf jeden Fall. Tradition spielt in meinem Leben eine große Rolle, und sie wird mir mit steigendem Alter immer wichtiger. Ich liebe die Einfachheit und Klarheit von guten Dingen in jedem Lebensbereich. Es ist schön, wenn das Leben einfach ist. Die Freude am Experimentieren bringt hingegen Spannung. In meiner Küche zeigt sie sich durch Geschmackskombinationen. Ich will immer Neues kreieren, Gerichten eine frische Dimension geben. In unserem Steirer-Huhn entdeckt man etwa Stabmuscheln, unser Kalbsbries wird deshalb mit Knoblauchblüten serviert. Ich möchte nicht für das zehntausendste Restaurant stehen, in dem man dasselbe isst. Man muss manchmal ein Risiko eingehen, um ein Gericht neu zu denken. Das geht nur, wenn man sich viel Zeit nimmt, bis man überraschende Aromen abgestimmt hat. Jedes meiner Gerichte ist unique, und man isst es so nur bei uns.

Was empfinden Sie als schlechte Küche?
Essen, das schlecht zubereitet ist. Wenn der Koch das Produkt nicht schätzt und nicht lernt, wie man das Beste herausholt. Ich denke, dass das für jeden offensichtlich ist, nicht nur für Profiköche. Ich verstehe deshalb auch nicht, wie man sagen kann, Essen sei Geschmackssache. Essen ist genauso wenig
Geschmackssache wie Musik. Etwas ist gut oder schlecht. Es gibt natürlich verschiedene Arten, die man mehr oder weniger bevorzugt. Aber wir können
immer zwischen gut und schlecht unterscheiden.

Woher kommt die Affinität zu außergewöhnlich gutem Essen?
Aus meiner Kindheit. Ich weiß, es ist ein Klischee, zu sagen, die Küche der Großmutter sei die beste, aber bei mir trifft das tatsächlich zu. Meine Oma hat
so gekocht, wie man es aus den alten, französischen Büchern kennt. Sie hatte in Rumänien einen Hof, gekocht wurde mit den eigenen Tieren. Damals
war mir noch nicht bewusst, wie gut wir essen, weil es für mich eben völlig normal war. Richtig schätzen konnte ich es erst, als ich andere Küchen kennenlernte.

Hatten Sie als Kind kein Problem damit, Fleisch im vollen Bewusstsein zu essen, dass es vor Kurzem noch ein lebendes Tier war?
Wenn wir einen Hasen als Haustier gehabt hätten, wäre das sicherlich anders gewesen, aber zu den Hoftieren hatte ich keinen emotionalen Bezug. Natürlich
war ich geschockt, als ich zum ersten Mal gehört habe, wie ein Schwein geschlachtet wurde. Aber im Prinzip war das damals noch kein besonders sensibles Thema. Bei uns wurde am Sonntag zur Feier des Tages ein Hendl geköpft, das war etwas ganz Normales. Bei mir hatte das allerdings einen besonderen
Effekt: Mir war von Anfang an klar, dass Fleisch von Tieren kommt und man jeden Teil davon schätzt. Meine Obsession und Affinität zum Produkt und zu kompromissloser Qualität ist damals entstanden. Wir nehmen nicht einfach Fleisch aus einem Packerl und kochen damit. Wir analysieren jedes Stück und behandeln es mit Respekt. Wenn man den ganzen Prozess und die Geschichte kennt, dann geht man einfach anders damit um.

Sie sind als Teenager nach Österreich, als Erwachsener nach Wien gekommen. Was bedeutet Ihnen die Stadt?
Ich liebe den Mix: Es tut sich etwas, aber nicht zu viel. In Berlin ist es toll, wenn man 20 Jahre alt ist, jeden Tag Gas gibt und den Tumult mag. Aber wenn man etwas älter wird und so wie ich ein Kind hat, dann will man sich auch zurückziehen können. Das ist in Wien bestens möglich.

Sie haben mit dem Kärntner Ring, an dem sich das Glasswing befindet, auch eine ausnehmend schöne Ecke Wiens als Arbeitsplatz.
Es ist das perfekte Beispiel für das, was ich an Wien schätze. Ich wohne eher in Ruhe am Rand der Stadt, bin aber in 15 Minuten hier, wo man alles um sich hat, von Kultur bis zu schönen Bars. Das gibt es meiner Meinung nach so an keinem anderen Ort der Welt.

Was bedeutet eigentlich der Name Glasswing?
Glasswing ist der Name einer Schmetterlingsart mit transparenten Flügeln. Zart, elegant und delikat, das passt perfekt zu meiner Küche, hat aber auch etwas mit dem Namen des Luxusboutiquehotels Amauris Vienna zu tun, zu dem das Restaurant gehört. Amauris ist ein sehr anmutiger, wunderschöner Schmetterling.

Diese Zartheit erinnert mich an Ihr Signature Dish, einen Kaisergranat mit Karfiol und Vadouvan-Hollandaise.
Das Gericht ist während der Pandemie entstanden. Ich wollte für meine Frau etwas kochen, das nach Urlaub schmeckt, während wir nicht ans Meer reisen konnten. Ich
liebe an diesem Gericht, dass es die Gäste woanders hin versetzt. Es macht etwas mit einem, ähnlich wie gute Musik.

Wenn Sie viele Jahrzehnte vorausdenken: Wofür soll Ihr Name einmal rückblickend in der Küchenwelt stehen?
Mein größter Wunsch ist es, ein Gericht kreiert zu haben, das etwa wie Pasta Bolognese ist, also auf der ganzen Welt gegessen und geliebt wird. Das möchte ich hinterlassen. Ich habe es noch nicht, aber ich hoffe, dass ich etwas entwickle, das mich überleben wird.