Im Gespräch mit Julia Zotter

Bei unserem Besuch der Zotterwelt in der Steiermark wurden wir von Josef Zotter und seiner Tochter Julia durch die Schokoladenmanufaktur geführt.

Im Gespräch mit Julia Zotter

In der Fabrik wird die Schokolade von der Bohne bis zur fertigen Schokoladentafel verarbeitet, das nennt sich Bean-to-Bar und ermöglicht so ausschließlich in Bio- und Fair-Qualität zu produzieren. Die kreativen Ideen von Vater und Tochter können auf diese Weise sofort in die Tat umgesetzt werden, egal ob mit Grammeln, Algen, Hanf, Blut, Haselnuss oder Himbeere - die Ideen sind schier unerschöpflich! Die Kunden sind dabei die besten Kritiker. Wenn es nicht schmeckt oder die Zeit noch nicht reif für eine Sorte ist, dann landet sie am Ideenfriedhof, wo zum Beispiel die Käferbohnenschokolade zu finden ist, die es nicht lange gegeben hat.

Zotters Einfallreichtum beschränkt sich jedoch nicht nur auf Schokolade. Das bekannte Über-den-Tellerrand-Schauen wird von den Zotters in vielerlei Hinsicht gelebt. Im "Essbaren Tiergarten" stehen Tiere artgerecht und glücklich auf der Wiese, bis sie als Burger oder Schnitzel auf der Speisekarte landen. Mit solchen Ideen will Josef Zotter darauf aufmerksam machen, dass wir unseren Konsum generell überdenken sollen: weniger abgepacktes Fleisch oder vorproduziertes Essen aus dem Supermarkt hin zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln, die eben „Leben“ bedeuten.


Zotter dient in Harvard als Fallbeispiel für gelungenes Marketing und Unternehmertum.

Josef Zotter, der Motor hinter der Schokoladenwelt ist einer, der sich traut. Er setzt mutige Schritte und ist ein Vorreiter für viele Ideen. Egal, ob es um Fragen wie Bio-Qualität oder fairen Handel geht, Transparenz und soziales Engagement – unbeirrt vertraut er seinem Bauchgefühl. Der Erfolg gibt ihm recht. Nicht nur ist er einer der besten Chocolatiers der Welt, er ist auch der einzige österreichische Unternehmer, der in Harvard als Fallbeispiel für gelungenes Marketing und Unternehmertum dient.

Julia Zotter (links im Bild) mit GUSTO-Redakteurin Natascha Golan in der Zotterwelt

Die Fußstapfen, in die seine Tochter Julia daher tritt, sind unbestritten riesig. Aber das macht der unerschrockenen Frau keine Angst. Nachdem sie bereits mit Mitte Zwanzig in Shanghai bewiesen hat, dass sie alleine bestehen kann und dort das Zotter Schoko-Theater aufgebaut hat, ist sie seit 2017 wieder zurück in der Heimat. Jetzt setzt sie sich mit ihren Produktideen beim Papa, den sie liebevoll "Paaps" nennt, durch und reist viel zu den Kakaobauern, um der Wurzel der Schokolade noch näher zu sein. Dabei liegt ihr vor allem die Qualität der Kakaobohnen, das nachhaltige Wirtschaften und Zotter als Social Enterprise am Herzen. Bei diesen Themen erstrahlen ihre Augen und es wird einem ganz klar, wo der Enthusiasmus des Vaters sich in ihr widerspiegelt und dabei einen eigenen Platz und einen eigenen Lieblingsbereich gefunden hat.


8 Fragen an Julia Zotter


1. Welche Person, welcher Ort oder welche Erfahrung hat dich am meisten geprägt?
Wir arbeiten als Familie sehr eng zusammen, und ich war schon immer ein Teil des Familienunternehmens, schließlich kamen wir ja beide 1987 auf die Welt (Anm.: Die Unternehmensgründung und Julias Geburt waren beide 1987). Insofern haben mich meine Eltern wohl am meisten geprägt. Als menschliche Vorbilder haben sie mir in unzähligen Situationen gezeigt, was Mut, Widerstandskraft, Ausdauer, Rückgrat und Güte bedeutet. Als Erfahrung hat mich die Umstellung auf ein Bio- & faires Unternehmen sehr beeinflusst, als wir eine Social Enterprise wurden. Davor wollte ich auch Astronautin werden. Jetzt kann ich mir keinen erfüllenderen Lebensweg mehr vorstellen.

2. Welche Dinge stehen auf deiner "Bucket List"? Was möchtest du also irgendwann einmal erleben, sehen oder tun?
Ich finde, das Unerwartete ist eigentlich das Schönste, das kann man sich nicht vornehmen. Deswegen bin ich auch recht spontan. Sicher, ich möchte auch mal die allerbesten Ramen ausprobieren ... aber eine kuhwarme Milch würde es auch schon tun. Mich freut es auch sehr, wenn etwas unerwartet gut funktioniert, die Algenkaramell-Schoko zum Beispiel. Ich weiß nicht, eine richtige "Bucket List" ist nichts für mich, ich lebe da lieber im Moment und freue mich am meisten über was Schönes, das gerade jetzt passiert. Ein richtiges "Bucket List"-Thema ist wirklich, alle unsere Kakaopartner zu besuchen, und dann unsere Zuckerlieferanten. Ich bin schon gut dabei, aber ein bisschen Zeit brauche ich noch.

3. Hättest du eine Zeitmaschine und könntest in die Zukunft oder Vergangenheit reisen: welche Periode würdest du dir aussuchen und warum?
Ui, Zukunft, definitiv. Wir sind so hart an der Kippe, der Klimawandel und wie wir damit umgehen, wie wir die nächsten Jahrzehnte leben, ob wir die Kurve kratzen ... das ist/wird schon eine krasse Zeit. Ich würde gerne sehen, wo wir in 200 Jahren stehen. Unsere Ernährung, Kultur, alles wird vielleicht bis dahin nicht mehr erkennbar sein.

4. Was darf im Kühlschrank niemals fehlen?
In meinem Kühlschrank findet man immer Milch. Und zwar nicht homogenisiert, ideal roh, von Kuh, Schaf oder Ziege. Ich liebe aber auch selbst gemachte Sojamilch oder Cashewmilch.

5. Was bedeutet Genuss für dich?
Egal wie simpel oder kompliziert, Genuss ist eine Lebenseinstellung. Ein wirklich tolles Zitat von meinem Paaps: "Nur wer das Leben genießt, ist auch als Mensch genießbar".

6. Was macht einen großartigen Gastgeber aus?
Ich bin begeistert von Gastgebern, die ihre Gäste einfach zum Lächeln bringen. Dass die Gäste in dem Moment nirgendwo lieber sein würden, egal ob beim Stehkaffee, der Party mit Freunden oder dem Menü. Wenn man als Gastgeber voll von dem überzeugt ist, was man macht, dann ist das übertragbar auf Gäste.

7. Muss man einmal weg aus der Heimat gehen, um Erfolg zu haben?
Nein, aber man muss vielleicht mal weg gehen, um sich Erfolgen bewusst zu werden, egal wie klein, sie wertzuschätzen und ihnen auch mit Demut zu begegnen. In den allermeisten Fällen ist Erfolg der Höhepunkt durch die Zusammenarbeit vieler.

8. Wieso gibt es keinen Flagshipstore in Wien?
Es gibt ein paar Geschäfte mit fast dem ganzen Sortiment, aber keinen Flagshipstore, richtig. Naja, ist ja nicht so, als ob wir es nicht versucht hätten. Aber ich finde, dass wir uns am wohlsten fühlen, wenn jemand unsere Produkte mit eigener Überzeugung vertritt, also z.B. ein unabhängiges Geschäft mit motivierten Mitarbeitern. Wir tun uns als Familie schwer, das aus der Ferne zu machen oder weit genug loszulassen. Ist doch auch viel schöner, wenn es verschiedene Geschäfte gibt. Selbst in Shanghai ist es das gleiche Phänomen: ohne meine Geschäftspartnerin, die das Schokotheater dort wie ein Familienunternehmen führt, wäre das undenkbar für mich.

Die ganze Geschichte zum GUSTO-Besuch in der Zotterwelt lesen Sie in der Rubrik "Nataschas Genussflüsterei" in GUSTO 04/2022.