Weg mit den Hemmungen
Wir haben Sommelier Willi Schlögl und Sebastian "Curly" Moser über ihren Podcast Terroir & Adiletten und die Weinwelt der Gegenwart interviewt.
Elitär, abgehoben, für Kenner: Nur einige von vielen Vorurteilen über die Welt des guten Weins, die es aufzulösen gilt, sagt der vielfach ausgezeichnete steirische Sommelier Willi Schlögl. Zusammen mit dem deutschen Rapper Sebastian "Curly" Moser sorgt er dafür, dass Hemmschwellen sinken und Menschen Wein nicht mehr nur trinken, sondern auch verstehen.
Ihr gemeinsamer Podcast Terroir & Adiletten entwickelte sich in den letzten zwei Jahren zum erfolgreichsten deutschsprachigen Wein-Podcast, unter anderem weil das Duo Klischees aufbricht und genauso geerdet wie humorvoll, aber auch fundiert an das Thema herangeht. Curly als Laie, der Fragen stellt. Schlögl als Profi, der (fast) alles weiß und sein Wissen entspannt und auf Augenhöhe weitergibt.
Nun haben die beiden auch ein zum Podcast gehörendes Buch veröffentlicht: "Anleitung zum Weinsaufen". Wer sich dabei am Begriff "Saufen" stört: Das Wort ist bewusst gewählt und soll gleich auf den ersten Blick vermitteln, dass herausragender Wein Spaß machen soll und nicht zum andächtigen Nippen gedacht ist.
GUSTO hat das Duo zum Interview getroffen.
"Terroir & Adiletten“ ist im deutschsprachigen Raum der am meisten gehörte Wein-Podcast. Das neue, dazu gehörende Buch heißt „Anleitung zum Weinsaufen“. Stoßen sich viele an der Wortwahl?
Curly: Es geht uns bei dem, was mir machen, darum, die Weinwelt von diesem typisch Snobistischen zu befreien. Deshalb wollten wir nicht die Anleitung zum Weingenießen machen, sondern lieber ein wenig aufrütteln. Klar eckt man mit der Wortwahl bei manchen Leuten an, aber es ist heutzutage gut, zu polarisieren. Wir wollen ja auch gar nicht, dass die Leute mehr saufen, wir wollen sie dazu anleiten, besser zu saufen.
Willi Schlögl: Und es geht auch darum, wie man den Begriff definiert. Für uns hat Saufen etwas mit Geselligkeit zu tun. Miteinander zu trinken. Eine gute Flasche Wein und dabei auch seine Gedanken zu teilen. Das ist doch was Schönes. Es gibt da diesen Klassiker: Ein Mann kommt von der Arbeit heim, setzt sich alleine hin und trinkt drei, vier Gläser Wein. Ohne Grund. Das würde mir nie bzw. nur ganz selten passieren. Alkoholismus wird gerne pseudointellektuell schöngeredet, da spricht man dann einfach vom Trinken und Verkosten. Es ist doch eh alles gut, weil man doch nur Wein trinkt! Warum nennt man es nicht einfach beim Wort? Saufen ist saufen. Und Wein ohne Alkohol will doch niemand. Okay, jetzt gibt es diese entalkoholisierten Alternativen, aber meiner Meinung nach sind die alle nicht zu trinken.
Wie billig darf Wein eigentlich sein? Ist der Preis tatsächlich aussagekräftig?
Willi Schlögl: Unter zehn Euro würde ich nichts angreifen, besser sind 15 Euro. Generell würde ich sagen, dass du bei Weinen zwischen fünf und 20 Euro pro Flasche viel mehr Unterschied schmeckst als zwischen 25 und 2.000 Euro. Die am teuersten produzierte Flasche Wein mit dem dicksten Glas, dem hochwertigsten Korken und der ärgsten Steillage kostet in der Produktion vielleicht 30 Euro. Seit der Pandemie wahrscheinlich schon etwas mehr, weil es schwieriger geworden ist, das Glas zu besorgen. Aber alles Weitere ist Angebot und Nachfrage. Da reguliert der Markt den Preis. Für uns ist wichtig, dass Wein fair hergestellt ist und dass es kein Markenblabla ist. Diese riesigen Großproduzenten, die wie Coca-Cola versuchen, jeden Jahrgang auf den gleichen Geschmack hinzutrimmen, weil die Brand wichtiger als der Jahrgang oder der Mensch dahinter ist – das braucht kein Mensch.
Was Sie hingegen lieben, ist weißer Spritzer. Im Buch schreiben Sie sogar: „Weißer Spritzer rules.“
Willi Schlögl: Weißen Spritzer zu trinken, ist immer noch verpönt. Ich als Wein-Aficionado, Spitzensommelier, wie mich viele nennen, und Wirt sage: Das ist echt total schade.
Curly: Voll. Der ist doch so isotonisch und belebend, vor allem als Zwischengetränk.
Was macht denn einen guten weißen Spritzer aus?
Willi Schlögl: Das richtige Glas, am besten dickwandig und mit Henkel. Das hält die Temperatur einfach besser. Mit Eiswürfeln sollte man ihn nicht bestellen, denn damit wirbelst du die komplette Kohlensäure heraus, die ist wichtig. Deshalb nie Eis, nie Zitrone, aber einen guten Wein, meistens säurehaltig. Ich empfehle Veltliner, Riesling oder Welschriesling. Und dazu ein neutrales, sehr spritziges Wasser, am besten Sodawasser. Es gibt Leute, die machen ihre Mischung mit Mineralwasser, davon bin ich kein Fan, weil es mit seiner Mineralik immer Eigengeschmack ins Glas bringt.
Sie plädieren dafür, den eigenen Lieblingswein nicht mehr zu trinken. Wieso?
Curly: So kann man seinen Horizont erweitern. Man sollte keine Angst davor haben, auch mal eine Flasche zu trinken, die einem nicht schmeckt, weil diese einen geschmacklich weiterbringt. Dann weiß man eben, dass diese Art von Wein nichts für einen ist. Das findet man aber nicht heraus, wenn man stets den gleichen Wein bestellt.
Willi Schlögl: Ich finde, man sollte nie sagen, dass ein Wein nicht gut ist. Außer es passt mit ihm tatsächlich etwas nicht. Besser ist die Feststellung, dass er einem persönlich nicht schmeckt. Das ist höflicher, denn in jede Flasche Wein gehen sehr viel Energie und Arbeit rein. Zum Lieblingswein: Viele denken sich: „Never change a winning team.“ Wenn aber hinter der Schank jemand Kompetenter steht, kann man mal sagen: „Ich trinke normalerweise diesen Wein, etwas in die Richtung wäre super, aber es kann ruhig was Neues sein.“ Offen zu sein ist beim Weintrinken enorm wichtig, vielleicht sogar das Wichtigste.