40 neue Gemeinden dürfen Champagnern:
Elitäres Weinbaugebiet erhält Erweiterung
Einerseits ist es ja schön für die Champagnerwinzer, dass der Absatz ständig steigt. Im vergangenen Jahr verkauften sie fünf Prozent mehr als 2006, knapp 339 Mio. Flaschen waren es. Andererseits wird es langsam ein Problem, denn die Anbaufläche für Champagner im Nordosten von Frankreich ist vor rund achtzig Jahren festgelegt worden und reicht bei der heutigen Nachfrage kaum noch aus.
Nur eine einzige Gemeinde hat es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, sich einzuklagen in den streng abgegrenzten Champagne-Club. Jetzt wollen die Behörden weitere Gemeinden aufnehmen: 40 Kandidaten hoffen vor der Entscheidung auf Einlass in das kostbare Gebiet.
Trauben damals so viel wert wie Kartoffeln
Für manche der zugelassenen Bewerber wäre es besonders bitter, wenn sie leer ausgehen. Für Champfleury zum Beispiel, ein kleines Dorf in der Nähe der Champagnerstadt Reims. Als vor ziemlich genau hundert Jahren damit begonnen wurde, die Grenzen des Anbaugebietes festzulegen, lehnte Champfleury wie viele andere Gemeinden dankend ab. "Die Traube hatte damals ungefähr den gleichen Preis wie die Kartoffel", sagt Alain Fion vom Champagner-Dachverband CIVC. Oder anders gesagt: Champagner herzustellen war teuer und brachte nicht viel ein. Als Champfleury später klar wurde, dass es die Lizenz zum Gelddrucken vertan hatte, war es zu spät.
Andere Gemeinden waren regelrecht überrascht, als die Aufsichtsbehörde INAO - die das Herkunfts- und Qualitätssiegel AOC auch für Olivenöl, Käse, Wein und andere Lebensmittel vergibt - sie mit auf die Kandidatenliste nahm. "Ich habe es aus der Zeitung erfahren", sagt Christian Degrippes, der Bürgermeister von Courcy im Norden von Reims. Auch der Winzerverband SGV, der die Überprüfung der alten Flächengrenzen beantragt hatte, war "erstaunt", dass die Aufsichtsstelle so viele Gemeinden auswählte. "Aber das beweist, dass die Fachleute ihre Arbeit gut gemacht haben", sagt der SGV-Vorsitzende Patrick Le Brun.
Anbaugebiet wurde 1927 festgelegt
Das heutige Anbaugebiet wurde 1927 gesetzlich festgelegt und zählt einige hundert Gemeinden aus den Verwaltungsgebieten Marne, Aube, Aisne und Haute-Marne. Genauer gesagt 647 Gemeinden, in denen Most der Herkunftsbezeichnung Champagne zu Wein und Schaumwein verarbeitet werden darf. Und 319 Gemeinden, in denen die Trauben angebaut werden. "In Reims in der Stadtmitte kann man Champagner herstellen, aber keine Weinberge bepflanzen", sagt Fion vom Champagner-Dachverband. Deshalb ist die Anbaufläche kleiner als das Produktionsgebiet, gut 35.000 Hektar umfasst sie.
Der Dachverband dämpft allzu große Erwartungen an die Entscheidung des Aufsichtsamtes. Denn sobald die INAO festgesetzt hat, in welchen Gemeinden künftig Flächen zum Champagner-Anbau ausgewiesen werden, können die Verlierer Einspruch einlegen, wie Fion sagt. "Und selbst wenn die INAO alle 40 anerkennen würde, gäbe es garantiert eine 41. Gemeinde, die sofort prozessieren würde."
Außerdem ist es damit noch nicht getan. In den Gemeinden müssen dann erst einmal die genauen Flächen festgelegt werden, die für den Anbau geeignet sind. Das dürfte auch zu Gerichtsverfahren führen, und vom Pflanzen der Rebstöcke bis zur ersten Weinlese vergeht ein weiteres Jahrzehnt. Die Dörfer, die jetzt den Zuschlag bekommen, dürften trotzdem glücklich sein: In Fontaine-sur-Ay, das sich 1995 nach jahrelangem Rechtsstreit in das Champagner-Gebiet einklagen konnte, stieg der Preis für ein Hektar Land von 2800 auf eine Million Euro.
(apa/red)