Beim Kochen verstehen sie keinen Spaß: profil über neuen Herdtrieb unter Männern
Der Schauspieler und Wirt Hanno Pöschl ist an sich ein grundgütiger Mensch. Doch als eine Besucherin seines Restaurants "Immervoll" vor einigen Monaten den Verdacht äußerte, Pöschls Koch mute seinen Schnitzeln eine Fritteuse zu, wurde sein Ton messerscharf. Schnitzel bekämen in seinem Lokal ausschließlich Pfannen zu sehen: "Ich fühlte mich in meiner Ehre, als Wirt und vor allem als Koch, gekränkt."
Beim Kochen versteht Hanno Pöschl nämlich keinen Spaß. Den ehemaligen Fassbinder-Schauspieler als Hobbykoch zu bezeichnen, hieße, ihn nicht zu verstehen. Pöschl ist ein Pionier des männlichen Herdtriebs.
Er kocht aus Leidenschaft. Früher, als das Gros seiner Geschlechtskollegen sich allenfalls bei der Nahrungszubereitung einbrachte, indem es sich um eine Feuerstelle scharte, "um Fleischstücke auf einen Rost zu legen und dessen Austrocknung abzuwarten" (so der österreichische Grillstaatsmeister Franz Kupetzius), sprach Pöschl bereits vom ultimativen Erdäpfelsalat wie von einer schönen Frau. Oder hielt im Kaffeehaus Kolloquien über Schinkenfleckerln und klopfte am Naschmarkt zärtlich an Melonen.
Wenn man heute am Samstagvormittag durch das Wiener Marktwesen streunt, sieht man dort auffallend oft Männer, die mit dem fiebrigen Blick des Kenners Lachsforellen und Lammkronen jagen und beim indischen Gewürzhändler mit einem Enthusiasmus über Masala-Mixturen philosophieren, den sie früher höchstens für italienische Sportwagen oder unerreichte Geliebte zu mobilisieren wussten.
Immer wieder wird man zu aufwändigen ziggängigen Abendessen eingeladen, deren Autorenschaft ausschließlich männlich ist. "Es entspannt mich", erklärt der Finanzdienstleister Sigi Machatschek, nachdem er für eine Weinverkostung der Wiener Winzer in einer winzigen Büroküche acht Gänge auf Haubenniveau für 16 Personen hingelegt hat. "Ich koche mit dem Herzen", sagt der Vorarlberger Maler Miguel Henz, der täglich zweimal am Herd steht.
Natürlich ist der auf hohem Niveau kochende Mann noch ein schichtenspezifisches Phänomen. Feministisch aufgeklärte FM4 hörende Bobo-Männer aus der Werbebranche tun es; vom Toskana-Hedonismus der achtziger Jahre geprägte Manager in ihren Fünfzigern tun es; feinsinnige Germanistikstudenten tun es. Und viele gleichgeschlechtlich Orientierte sowieso, denn das Klischee, dass schwule Männer in der Disziplin Lebensart die Nase seit jeher vorn haben, ist empirisch gesichert.
Bei Sackbauers steht in Österreich noch vorrangig Mutti am Herd, denn der gestandene Proletarier findet die liebevolle Zubereitung von Speisen mit seiner virilen Würde nicht vereinbar. "Kochen tut er? Ist das nicht eine Mädchen-tätigkeit?", fragte Robert "Wir sind Kaiser" Palfrader unlängst den verdatterten deutschen Koch-Popstar Tim Mälzer. Laut Lebensmittelbericht des Landwirtschaftsministeriums gehen zirka zehn Prozent der österreichischen Herren regelmäßig an die Töpfe - im Gegensatz zu nahezu 70 Prozent der Damen.
In einer Männer-Umfrage der deutschen Frauenzeitschrift "Brigitte" gaben elf Prozent der Befragten an, mehr als 20 Gerichte ohne Kochbuch aus der Hüfte schießen zu können . Erst kürzlich veröffentlichten die Wiener Hobbyköche Ed Tötzl und Michael Patocka im Eigenverlag ein "Kochbuch von Männern für Männer", das jeden Schritt der 145 Gerichte in insgesamt über 1000 Fotos dokumentiert. "Die Kerls haben endlich kapiert, dass ihre Attraktivität bei Frauen ungeheuer steigt, wenn sie kochen können", erklärt der berühmteste Koch seiner Generation, Jamie Oliver, 33, im profil-Interview das steigende Männer-aufkommen an der Feuerstelle. "Höchste Zeit, denn über Jahrhunderte haben sich Männer wie Höhlenmenschen benommen."
Wie bei allen vom Manne ausgeübten Freizeitleidenschaften - seien es Fliegenfischen oder Golf, der Bau einer Modelleisenbahnanlage oder eben Kochen - sind Eitelkeit und Ehrgeiz nicht weit. Prinzipiell ist der Mann in seiner Hobbykultur von einem starken Feedback-Gedanken geprägt. Während Frauen Ausdruckstöpferei und Yoga-Sonnengebete durchaus auch zufrieden im stillen Kämmerlein verrichten, braucht der Mann bei der Tontauben-Vernichtung, dem Golfball-Abschlag und dem Domptieren von Nahrungsmitteln Lob und Anerkennung. "Die Pubertät des Mannes hört nie auf", so Jamie Oliver, "und schon gar nicht in der Küche. Trotzdem ist eine von einem Mann für eine Frau zubereitete Mahlzeit die höchste Form der Zärtlichkeit."
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