Der Charmeur kehrt zurück
Auf den Boom folgte die Verstoßung. Aber jetzt scheint der Chardonnay, der bekannteste Weißwein der Welt, auch in Österreich wieder ein bisschen an Boden zu gewinnen.
Er hat so einen schönen Namen. Und der ist was bei einem französischen Namen ja eher unwahrscheinlich ist auch in allen Sprachen so schön auszusprechen: Schar do näh. Das war neben seiner runden, weichen Art, einem Geschmack, bei dem sich nichts wirklich in den Vordergrund drängt, und einer generellen Anspruchslosigkeit hinsichtlich Boden und Klima wohl einer der Hauptgründe, warum die französische Weißwein-Rebsorte in den 1980er-Jahren so einen enormen Boom erlebte. Der hat seinen Höhepunkt zwar längst überschritten, aber immerhin ist Chardonnay heute die am zweithäufigsten angebaute Rebsorte der Welt wobei die häufigste der weitgehend unbekannte Airen ist (der nur in Spanien angebaut wird, dort allerdings massenhaft, er dient als Grundwein für die Alkohol-Produktion).
Auch Österreich erlebte in den späten 80ern einen Chardonnay-Boom. Willi Bründlmayers Chardonnay war einer der ersten, auf der italienischen Weinmesse Vinitaly wurde der Exot in eine Verkostung der weltbesten Chardonnays eingebaut, als klarer Außenseiter und gewann. Damit begann mehr oder weniger die internationale Karriere des Langenloiser Wein-Gurus, der mittlerweile für seine Rieslinge und Grünen Veltliner geachtet wird. In Folge wurde im ganzen Land Chardonnay gesetzt, sogar in der Wachau, wo man ihn als Feinburgunder bezeichnete.
Aber der Trend war kurzlebig. Andere Rebsorten wurden populärer, der auf der ganzen Welt angebaute, überall ähnlich (im Barrique) ausgebaute und überall ähnlich schmeckende Wein war bald fad, authentische Rebsorten waren plötzlich das Maß aller Dinge, der Chardonnay verschwand in Cuvées oder wurde überhaupt ausgerissen.
An ein paar Orten hat er aber nicht nur überlebt, sondern wurde durch zunehmendes Alter der Rebstöcke, durch immer größere Erfahrung der Winzer, in welchen Lagen Austro-Chardonnays wirklich toll werden und vor allem durch die neue Terroir-Philosophie (möglichst viel Mineralität, kleinklimatische Eigenheiten ausnützen, Individualität der Lage unterstreichen, Spontanvergärung mit natürlichen Hefen) zu ganz tollen Weinen. Exemplarisch dafür natürlich die beiden Chardonnays von Heinz Velich aus Apetlon, Tiglat und Darscho, kantige, nachgerade salzige Wein-Monumente; oder die beiden Parade-Chardonnays Tatschler und Gloria von Andi Kollwentz aus Großhöflein, da ist Burgund schon sehr nahe; oder Fritz Wieningers Stammersdorfer Chardonnay Grand Select, ganz große Klasse; und natürlich die Südsteirischen Morillons Sulz und Zieregg von Manfred und Armin Tement, der Polzsche Obegg, Erwin Sabathis Merveilleux, Gross Startin und Lackner-Tinnachers Flamberg ganz, ganz, ganz groß, Chardonnays im absoluten Top-Bereich (auch preislich).
Und jetzt tut sich erfreulicherweise auch in der Mittelklasse wieder was, immer bessere, knackigere Weine tauchen da auf und präsentieren sich wieder einigermaßen selbstbewusst. Hannes Reeh mit seinem Unplugged, zum Beispiel, Birgit Braunstein und Gernot Heinrich mit ihren Chardonnays von kalkreichen Hängen des Leithagebirges, Georg Prieler mit seinem Seeberg und natürlich die Top-Leute aus dem Weinviertel, Ebner-Ebenauer mit ihrer massiven Black Edition oder das Röschitzer Weingut von Stift Altenburg mit einem Chardonnay mit dem schönen Namen Dreißigviertel-Limberg.
Man muss jedenfalls nicht immer nur Grünen Veltliner trinken, man kann wieder zu Chardonnay greifen. Er ist besser denn je.
Chardonnay in aller Munde
Die bekanntesten und berühmtesten Chardonnays der Welt:
Chablis
: Eine Herkunft, deren Name fast so stark wie eine Marke ist. Jahrzehntelang galt der Chablis als Inbegriff des mürben Weißweins ohne allzu große aromatische Eigenmächtigkeit, das richtige Getränk
für fast alle Gelegenheiten. Dass ein Chablis auch ganz großer Wein sein kann, hoch mineralisch und mit fantastischem Charakter (und dann auch entsprechend teuer), wurde oft übersehen.
Champagner : Drei Rebsorten sind es, die den Champagner prägen: In erster Linie Pinot Noir, dann Chardonnay, dann Pinot Meunier. Die Chardonnay-Weingärten in der Champagne haben dramatisch zugenommen, Blanc de Blancs, also Champagner nur aus Chardonnay-Trauben, erfreut sich kontinuierlich steigender Beliebtheit.
Corton Charlemagne : Der berühmteste unter den weißen Burgundern, die zu 100 Prozent aus Chardonnay gekeltert werden. Aus den Grand Cru und Premier Cru-Lagen vor allem der Côte de Beaune, in Orten mit klingenden Namen wie eben Corton Charlemagne, Mersault, Puligny-Montrachet und Chassagne-Montrachet keltern die Winzer Weine von nachgerade gotischer Struktur, mineralisch, steinig und unendlich grandios. Die weißen Burgunder aus diesen Lagen zählen zu den teuersten Weißweinen der Welt.
Vino da Tavola : Ende der 80er-Jahre überschwemmte der Chardonnay-Boom auch Italien. Jedes der namhaften Weingüter setzte Chardonnay, alle verwendeten nach burgundischem Vorbild Barrique-Ausbau. Sie hießen Cervaro della Sala (Antinori), Gaja & Rey (Angelo Gaja), Lungarotti oder Al Poggio (Castello di Ama), ihr Stern ist mittlerweile aber wieder gesunken.
Montelena 1973 : Das war der kalifornische Chardonnay, der beim legendären Paris Wine Tasting 1976, einer Blindverkostung vor einer amerikanisch-französischen Jury, die renommiertesten Weißen Burgunder schlug. Mit dieser Verkostung erschien Kalifornien überhaupt erst auf der Wein-Landkarte, und Chardonnay spielte in Napa, Sonoma und Carneros stets eine wichtige Rolle. Von den typischen kalifornischen Chardonnays plump, alkoholisch und Vanille-Aroma von hemmungslosem Barrique-Einsatz will zwar heute niemand mehr etwas wissen, es gibt aber nach wie vor großartige Chardonnays jenseits des großen Teichs.
Die besten Adressen :
Hannes Reeh
7163 Andau, Augasse 11
www.hannesreeh.at
Heike und Gernot Heinrich
7122 Gols, Baumgarten 60
www.heinrich.at
Birgit Braunstein
7083 Purbach, Hauptg. 18
www.braunstein.at
Georg Prieler
7081 Schützen am Gebirge, Hauptstr. 181
www.prieler.at
Ebner-Ebenauer
2170 Poysdorf, Laaer Str. 5
www.ebner-ebenauer.at
Weingut Stift Altenburg
3743 Röschitz, Winzerstr. 46
www.weingutstiftaltenburg.com
Florian Holzer - Gusto 9/2013