Designerweine aus Amerika: uniformer Geschmack, Weinmaschine und Eichenchips

Designerweine aus Amerika Sie sind fruchtig, dicht in der Farbe, kräftig im Abgang - und werden von Chemikern ganz nach Kundenwunsch zusammengemixt. NEWS lüftet die Geheimnisse hinter dem Kunstwein aus den USA.

Designerweine aus Amerika: uniformer Geschmack, Weinmaschine und Eichenchips

Sie gelten als Meister des globalisierten Geschmacks. Coca-Cola, Fastfood, Kaugummi und Schokoriegel haben dank Standard-aromen weltweit einen Siegeszug gefeiert. Nun haben die Amerikaner ein neues Ziel im Visier: Sie wollen auch die Weinproduktion uniformieren.

Ausgefeilte High-Tech-Methoden versetzen die US-Winzer in die glückliche Lage, den Rebensaft unabhängig von Witterung und Ernte Jahr für Jahr geschmacklich immer auf exakt gleichem Level zu den Weinliebhabern zu bringen. Dass die amerikanischen Multiwinzer mithilfe technischer Kunstgriffe versuchen, den Rebensaft auf Topniveau zu trimmen, ist seit Jahren gängige Praxis. In "Good old Europe" hat man diese Methoden ignoriert und beim Weinbau die Tradition gepflegt, die Produktionsprozesse aus Übersee sind EU-weit verboten.

Getunter Wein von EU anerkannt
Kurz vor Jahreswechsel hat die EU auf Druck der Welthandelsorganisation WTO die getunten Rebensaft-Produktionsmethoden der US-Multiwinzer anerkannt. Das neue Weinhandelsgesetz akzeptiert nicht nur die aktuellen High-Tech-Methoden, sondern auch solche Prozesse, die erst noch entwickelt werden. Pessimisten befürchten, dass schon bald auch genbehandelte Hefe im US-Wein landen wird. Die Empörung der EU-Winzer ist naturgemäß groß, denn mit diesen Herstellungsmethoden sind die US-Weine um ein Vielfaches billiger als jene der heimischen Weingüter.

Wein wird wie Schokoriegel produziert
Fragt sich nun der durchschnittliche Weinliebhaber: Was machen die Winzer aus der Neuen Welt anders als jene in Europa, schmeckt doch der Rebensaft da wie dort gleich fruchtig, weich und gefällig? "Stimmt, geschmacklich können wahrscheinlich nur wirkliche Experten einen Unterschied erkennen. Aber die Amerikaner bauen ihren Wein wie einen Schokoriegel oder wie Coca-Cola zusammen", so Robert Steidl, Leiter des österreichweit einzigen Instituts für Weinbau in Klosterneuburg. Während die europäischen Winzer bis zum Stadium des Mosts 80 Prozent der Einflussnahme auf die Qualität des Weines abgeschlossen haben, starten die Winzer der Neuen Welt erst mit Qualitätsarbeit, wenn der Rebensaft eigentlich schon fast das Endstadium erreicht hat. Steidl: "Europäische Winzer setzen auf gewachsene Qualität aus dem Weingarten. Die Amerikaner holen die Qualität mit cleveren High-Tech-Methoden im Weinkeller nach."

Wundermaschine Schleuderkegelkolonne
Den enormen Arbeitseinsatz heimischer Winzer benötigen die Nord-und Südamerikaner oder Australier nicht. Denn sie sind nicht nur topografisch begünstigt, sondern haben auch eine Wundermaschine in ihren Weinkellern stehen, die sich "Spinning Cone Column" - zu Deutsch: Schleuderkegelkolonne - nennt. Das Geheimnis dieses Edelstahlungetüms: Je nach Wunsch des Winzers kann die Zentrifuge den Wein in seine wichtigsten Bestandteile wie Wasser, Aromen und Alkohol zerlegen. Winzer Bodenstein: "In einem Stadium, wo der Wein eigentlich schon fertig ist, lassen die US-Winzer den Wein mehrmals durch diese Schleuderkegelkolonne laufen."

Eichenchips statt Barrique
Aber die Amerikaner haben noch mehr Tricks auf Lager, um die kostspielige Herstellung des edlen Rebensaftes rationeller und produktiver zu gestalten. Seit Jahren herrscht ein Glaubenskrieg zwischen Alter und Neuer Welt rund um das Barriquefass. Der Barriqueausbau zählt zu den kostenintensivsten Methoden beim Weinbau. Steidl: "Ein Barriquefass kostet zwischen 500 und 700 Euro, und sein Einsatz ist auf dreimalige Verwendung beschränkt. Anschließend kann man die Fässer nur mehr als Blumentopf verwenden."

Die amerikanischen Weinmacher praktizieren eine sehr viel einfachere und günstigere Variante des Barrique. Statt den Rebensaft in exklusiven Barriquefässern zu lagern, greifen sie einfach zu Eichenholzchips, die optisch an Hackschnitzel erinnern, und hängen diese in überdimensionalen Teebeuteln in den Wein.

(die ganze Story in NEWS, Nr. 5, 02.02.2006)