Die österreichische Seele ist doch stärker:
Christoph Wagner im MAK am Stubenring
Das erste Interview mit Helmut Österreicher habe ich vor mehr als einem Vierteljahrhundert für eine Studentenzeitung geführt. Er servierte mir damals im "Steirereck" ehrgeizige Nouvelle Cuisine, vom glasigen Wachtelbrüsterl bis zum fast noch saignant gebratenen Lammrücken.
"Wahrhaft köstlich!!", rief ich in jugendlichem Überschwang aus. Helmut Österreicher beeindruckte dieses Lob allerdings nicht wirklich. "Bei mir z' Haus gäb's dös net", sagte er in seinem heimatlichen Waldviertler Dialekt. "Bei uns is' das Fleisch durch, und statt Saucen gibt's Schmorsafteln." - Seit diesem denkwürdigen Gespräch weiß ich, dass in Herrn Österreichers Brust, ach, zwei Seelen wohnen: die Zeitgeistseele, die "der Welt zeigen" will, dass wir das, was andere für modern halten, noch lange draufhaben. Und die wahrhaft "österreichische Seele", die zutiefst davon überzeugt ist, dass, was ihr immer schon zu Eigen war, ohnehin seit jeher das Bessere gewesen ist. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis das Österreichische in Herrn Österreichers Seele nach langem innerem Kampf siegte.
Ein echtes Wiener Gasthaus
Wer nun freilich meint, die Primadonna assoluta unter Österreichs Topköchen würde sich auf eine kleine Pawlatschen am Land zurückziehen und dort in aller Stille dem Guten, Wahren und Schönen frönen, der irrt. Österreicher, als Koch ein ausgefuchster Profi, vertraute sich vielmehr dem PR-Profi Wolfgang Rosam an, und beide heckten gemeinsam ein geradezu perfid mainstreamtaugliches Konzept aus. Ein echtes Wiener Gasthaus sollte es sein, mit einer Schank, einem großen Speiseraum "fürs Volk" und einem luftigen Veranda-Salettl für die "besseren Gäst" sowie einer "Kuchl", die jedem schmeckt, aber keinem im Magen liegt. Erstaunlicherweise wurden all diese Vorgaben, das lässt sich nach den ersten 100 Tagen sagen, ziemlich punktgenau erfüllt. Nur: Die Schank ist halt eine Bar, der Speiseraum eine glamouröse Installation, das Veranda-Salettl ein gläserner Pavillon, und Gastgeber ist das Museum für Angewandte Kunst (MAK), das den offensichtlichen Kunstanspruch dieses Environments auch absolut rechtfertigt. Helmut Österreicher kocht auf dieser Bühne mit dem ihm eigenen Hang zur Perfektion, aber mit verblüffend schnörkellosen Mitteln. Sein Gulasch ist ein Gulasch, sein Paprikahenderl bleibt ein Paprikahenderl, sein Tafelspitz ein Tafelspitz, sein Butterschnitzerl ein Butterschnitzerl, sein Nussschmarren ein Nussschmarren. Hier wird Herrn und Frau Österreichers Lieblingsgerichten bei bester Beleuchtung ein strahlendes Denkmal gesetzt. Wo anders in Wien sollte man auch sonst typisch österreichisch essen als bei Herrn Österreicher?
Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog:
www.speising.net
Österreicher im MAK
Stubenring 5
1010 Wien
Web:
www.oesterreicherimmak.at