Ein Kultbeisl ist auferstanden: Herbert Hacker über das "Blauensteiner" in Wien

Es gibt Lokale, die gefragt sind, wo man aber nicht so sehr wegen des Essens hingeht. Doch weshalb kommen die Leute dann? Im Falle des dieser Woche wiedereröffneten Blauensteiner (Untertitel: Gastwirtschaft zur Stadt Paris) scheint die Antwort jedenfalls nicht ganz einfach zu sein.

Vielleicht, weil das Blauensteiner in früheren Zeiten eine Art Kultbeisl war – ein Treffpunkt der Wiener Boheme, der Künstler, Journalisten und weinseligen Nacht-Denker. Vielleicht aber auch deshalb, weil das legendäre Eckwirtshaus lange Jahre geschlossen war und der Hausherr Franz Blauensteiner sich hartnäckig geweigert hatte, das Wirtshaus wieder aufzusperren. Stattdessen hockte er täglich mit seinen Freunden in einem Winkel und spielte Karten, was vorbeiziehende Passanten von außen stets mit Verwunderung zur Kenntnis nahmen. Jedenfalls ist das wiederauferstandene Beisl seit Montag jeden Tag bummvoll.

Die Einrichtung wurde nur unmaßgeblich runderneuert, das Licht hätte etwas freundlicher und wärmer ausfallen können und ist eine weitere Bestätigung dafür, dass Energiesparlampen öd sind. Und die Küche? Ja, die kann im Moment sicherlich auch noch kein Grund dafür sein, dass so viele hingehen. Denn das Kalbsherz mit Semmelknödel ist ziemlich langweilig, und die Lammschlögelstücke in Kernölschaum mit Polenta eigentlich kaum zu verdauen. Selbst das Wiener Schnitzel ist bestenfalls nur guter Durchschnitt. Sollte sich die Küche nicht dramatisch steigern, bleibt die Frage, weshalb so viele ins Lokal drängen, bis auf weiteres höchst rätselhaft.

NAME: Blauensteiner – Gastwirtschaft zur Stadt Paris
ADRESSE: 1080 Wien, Josefstädter Straße 4, Tel.: 01/405 14 67
ÖFFNUNGSZEITEN: Mo.–Fr. 11–22 Uhr
PREISE: Vorspeisen bis 7,20, Hauptspeisen bis 12,80 Euro