Ein echt scharfes Stück Käse aus Sardinien:
Im Casu Marzu vollführen die Maden Tänze

Stellen Sie sich einmal etwas richtig Ekelhaftes vor: Maden kriechen durch einen gammeligen Käse, die Konsistenz ist klebrig, und es riecht scharf nach altem Pecorino. Das ist der Casu Marzu - und den gibt es wirklich! Das dunkelgelbe Schafsmilch-Produkt mit lebendigem Inhalt gilt auf Sardinien als wahre Delikatesse.

Allerdings ist die Käsespezialität offiziell verboten und wird deshalb nur von privaten Schäfern und sozusagen "im Hinterzimmer" produziert. "Meist läuft das auf Bestellung von Privatleuten und wird unter dem Ladentisch abgewickelt, denn der Casu Marzu darf nicht verkauft werden", sagt Marco Floris, selbst ein Sarde und erklärter Fan des wurmigen Klumpens.

Maden als "leckerster Teil des Käses"
So sehr interessieren Floris die Maden und die kulinarischen Traditionen seiner Heimat, dass er sogar seine Magisterarbeit über das Thema "Insekten und kleine Tiere in der traditionellen Kultur Sardiniens" geschrieben hat. "Der Casu Marzu wird als erlesene Speise angesehen, die sich für Bankette und Feste eignet", heißt es da. Die Fliegen-Larven werden dabei - kein Scherz! - mitgegessen. Für viele sei das schließlich der leckerste Teil des Käses, betont Floris. "Da sie noch leben und es sich um Maden handelt, die springen, geben sie einem ein prickelndes Gefühl im Mund."

"Igitt! Das ist ja widerlich!", sagt Katia aus Rom. "Das würde ich im Leben nicht essen!", stimmt der Manager Carlo ein. Tatsächlich können wohl nur eingefleischte Sarden Gefallen an der Sache finden. Die sardische Bezeichnung Casu Marzu bedeutet übrigens übersetzt soviel wie "verrotteter Käse". Und das stimmt, denn der Schafskäse bleibt wirklich so lange liegen, bis er überreif ist und von Insekten befallen wird. Aber wer hatte die Idee zu dem sardischen Gaumenkitzel?

Rezept seit Generationen weitergegeben
"Wahrscheinlich gibt es ihn bereits seit den Zeiten der alten Römer, auch wenn es dafür keine Zeugnisse gibt", erklärt Floris. Und damals ist er wohl auch eher zufällig entstanden, als ein Schafskäse von Fliegen und Maden befallen wurde und die Menschen ihn gegessen haben, ohne die Tiere zu bemerken. "Der Käse schmeckte ihnen - und so wurde das Rezept von Generation an Generation weitergegeben."

Und dieses "Rezept" sieht folgendermaßen aus: Ein normaler Pecorino wird in sehr feuchter Umgebung aufbewahrt, nachdem vorher bereits ein Loch in die Kruste bis zum Inneren des Käses gebohrt wurde. In dieses Loch wird Olivenöl gegeben, das Fliegen anzieht. Diese legen Eier und so entstehen die Maden. Die fressen sich durch den Käse und wandeln ihn durch ihre Verdauung um, so dass er eine cremige Konsistenz und ein scharfes Aroma bekommt. Ein bisschen schmeckt er zunächst nach süßlichem Gorgonzola, bevor er beim Herunterschlucken seine pikante Würze entfaltet.

Industrielle Produktion offiziell verboten
Angeblich sollen sich durch die Insekten aber Stoffe entwickeln, die beim Verzehr den Verdauungsapparat des Menschen angreifen. Deshalb ist die industrielle Produktion seit jeher verboten. Außerdem werden Fliegen als "schmutzige Tiere" angesehen, die Krankheiten übertragen können. Liebhaber des sardischen Leckerbissens sind hingegen anderer Meinung, so auch Marco Floris: "Ich glaube das nicht, denn die Maden leben ja ausschließlich in dem Käse und können deshalb nicht kontaminiert sein."

Verspeist wird der Casu Marzo von Kennern ausschließlich pur, höchstens noch mit einem Stückchen Brot. Dazu werden kräftige Rotweine gereicht, wie der sardische Cannonau. Und für alle Wagemutigen, die sich in Sardinien einmal selbst an den Casu Marzu wagen wollen, gilt: Der Käse muss immer frisch verzehrt werden - sonst werden aus den Maden wieder Fliegen.

(apa/red)