EURO 2008: Sachertorte, Rösti, Schoggi - Der wahre Fußball-Fan isst einfach Wurst
Der Gast wählt zwischen zartem Wiener Schnitzel, knusprigen Rösti, Wein aus der Wachau, dem echten Emmentaler und Schweizer Schokolade (Schoggi). Soweit die Theorie. Doch die EM-Praxis sieht anders aus: Der Fußballfan liebt schlicht und einfach Wurst. Das jedenfalls haben die ersten Tage in Österreich und der Schweiz gezeigt. Die österreichischen Käsekrainer oder die Schweizer Cervelat waren die Favoriten in den Fanzonen - gehobene Regionalküche landet in der Gunst noch hinter Döner, Burger und Thai-Curry.
Entsprechend haben sich die Caterer auch eingedeckt. So wollen in Zürich von der Firma Two Spice täglich an die 15.000 Bratwürste an die Frau oder den Mann gebracht werden. In Wien sind es mit 300.000 paar Würsteln ähnliche Dimensionen. Da spielen Krebs-Papaya-Salat, rosa gebratene Lammkeule oder andere Raffinessen in VIP-Zelten nicht wirklich eine Rolle.
Allerdings lohnt der Blick über den kulinarischen (Papp)- Tellerrand. Wenn die beiden Länder in ihrer Fußballkunst auch noch keine Fünf-Sterne-Niveau erreicht haben, in ihrer Esskultur sehen sich etwa die Österreicher europaweit als klare Favoriten. Und die Schweiz schwört auf ihre regionale Vielfalt sowie italienische und französische Einflüsse, "und behauptet ihren Spitzenplatz in der europäischen Gastronomie", wie der jüngste Gourmetführer "Guide Michelin" schreibt.
Wer es herzhafter mag, der findet in Österreich von zahlreichen Tafelspitz-Variationen mit Apfel-Meerrettich und Schnittlauchsoße bis zum in Eier-Semmelbrösel-Panade gekleideten Backhendel ein großes Angebot. Auch die Schweizer Küche ist - bei soviel Bergen - eher rustikal. Zu Rösti passt das Zürcher Geschnetzelte aus Kalbfleisch und morgens das ebenfalls in der Schweizer Metropole erfundene und inzwischen selbst in China bekannte Bircher Müsli des Arztes Maximilian Oskar Bircher-Brenner.
Fragt man einen Amerikaner in St. Moritz, was ihm zur Schweizer Küche einfällt, wird er wahrscheinlich "Cheese and Chocolate" sagen. Aber bitte, rief jetzt ganz streng der Schweizer "Sonntagsblick": "Fondue und Raclette genießt der Eidgenosse bei Minusgraden, in Berghütten, und ohne Kölner Faschingsschlager". Also während der EURO besser die Finger davonlassen.
Generell könnte das Gebiet der Kulinarik zwischen Deutschen, Österreichern und Schweizern zu einigen sprachlichen Missverständnissen führen. Bietet der Kellner in Klagenfurt "Gebäck" an, meint er Brot und nicht Kuchen, für den "Vogerlsalat" (Feldsalat) mussten ebenso keine Piepmatze sterben wie in Basel für den "Fleischvogel" (Roulade). Und der österreichische "Lungenbraten" besteht nicht aus gerösteten Innereien, sondern aus Filet. Wer beim "Rindsvoressen" ein ungutes Gefühl bekommt, darf sich doch einfach nur auf ein Schweizer Rindergulasch freuen - am besten mit "Herdöpfelstock" (Kartoffelbrei).
23 Begriffe aus dem Küchenvokabular wie die "Paradeiser" (Tomaten) oder das "Faschierte" (Hackfleisch) ließ Österreich sich bei seinem Beitritt zur Europäischen Union sogar per Vertrag schützen - man darf auf die Beitrittsverhandlungen der Schweiz gespannt sein. (apa/red)