Fehler in alten Büchern: mehrere Giftpilze galten vor kurzem noch als essbar

Was die Großeltern noch über Pilze "wussten", ist heute zum Teil gefährlich falsch. Denn mehrere Schwammerlarten, die früher als essbar galten, wurden inzwischen als giftig entlarvt: Neben dem einst beliebten Kahlen Krempling gilt nun auch der Grünling, der noch bis 2001 beispielsweise in Deutschland als Marktpilz zugelassen war, als Giftpilz. In Verdacht geraten ist inzwischen auch eine Täublingsart, die bisher als harmlos galt.

"Es dauert oft sehr lange, bis Pilzgifte entdeckt werden", erklärt die Pilzsachverständige Christine Hahn. Zunächst würden solche Erkrankungen oft nicht erkannt: "Fragt der Arzt bei Herzrhythmusstörungen etwa: Haben Sie Pilze gegessen?" Außerdem sei es äußerst aufwendig und teuer, ein Pilzgift zu bestimmen.

Tödlicher Grünling
So ist es zu erklären, dass Experten erst jetzt vor dem Grünling warnen. Anlass war eine Vergiftungsserie in Frankreich, wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, Professor Reinhard Agerer, berichtet: Dort hatten sich zwölf Menschen vergiftet, drei davon waren gestorben. Sie hatten den Grünling offenbar oft und in großen Mengen gegessen und als Folge eine schwere Muskelschwäche erlitten. Wieso der Pilz in manchen Fällen fatal wirkt, in anderen nicht, ist unklar.

Letzte Mahlzeit Kahler Krempling
Auch der Kahle Krempling, der vor allem in Osteuropa massenweise gesammelt wurde, galt früher als harmlos. In Zeiten der Not war der Pilz als billiges Nahrungsmittel geschätzt. Hahn erzählt: "Er hat im Krieg manchem das Leben gerettet. Man kann ihn 20 Mal oder auch 40 Mal essen - dann ist es aber vielleicht die letzte Mahlzeit."

Der Pilz kann nämlich eine hyperallergische Reaktion auslösen, die im schlimmsten Fall tödlich endet. Die Zahl der Antikörper nimmt mit jeder Mahlzeit zu - in welchem Maße, ist individuell verschieden. Nachdem in den fünfziger Jahren in Polen Massenvergiftungen aufgetreten waren, gilt der Pilz seit 1967 offiziell als giftig. Doch noch Jahre später sei er in Konserven verwendet worden, sagt die Expertin.

Massenmörder "Orangefuchsiger Rauhkopf"
Bis in die fünfziger Jahre galt Hahn zufolge sogar der Orangefuchsige Rauhkopf, ein gefährlicher Giftpilz, als essbar. Nachdem ihm 1952 in Polen aber mehr als 130 Menschen zum Opfer gefallen waren, bekam er den schaurigen Beinamen "Polentöter". Über 20 Jahre dauerte es, bis das verantwortliche Gift Orellanin entdeckt wurde. Heimtückischerweise dauert es manchmal Wochen, bis sich Symptome bemerkbar machen. "Daher ist der Pilz so gefährlich: Je länger die Latenzzeit, desto giftiger die Pilze", betont Hahn.

Gifthäubling
Auch der Gifthäubling, der Doppelgänger des beliebten Stockschwämmchen, galt offensichtlich lange als essbar. Heute weiß man, dass der Pilz Amatoxine wie der Grüne und die weißen Knollenblätterpilze enthält. "Ich habe ein Schweizer Pilzbuch von 1979, in dem er als 'gut' bezeichnet wird", sagt Hahn. Früher habe der Pilz "Nadelholzhäubling" geheißen. "Inzwischen weiß man aber, dass er nicht nur an Nadelholz, sondern wie das Stockschwämmchen auch an Laubholz wächst", erklärt die Sachverständige. "Er kann mitten unter Stockschwämmchen vorkommen." Daher müsse man jedes einzelne Schwammerl genau prüfen.

Auch Täublinge sind mit Vorsicht zu genießen
Neuerdings sind auch nicht mehr alle milden Täublinge unumstritten. Bisher galt die Regel: "Alle mild schmeckenden Täublinge sind essbar." Doch der rotstielige Ledertäubling ist in Verdacht geraten, Magen-Darm-Beschwerden auszulösen, wie Hahn sagt: "Die Art, die in Italien wächst, gilt als giftig."

Nur Pilze essen, die man kennt
Angesichts der Gefahren rät Hahn: "Man sollte nur Pilze essen, die man wirklich kennt." Verlassen sollte man sich nur auf neue Pilzbücher. Außerdem sollte man Schwammerln stets gut garen. Generell sind Pilze schwer verdaulich, viele Arten sind außerdem roh giftig. "Pilze nicht roh zu essen, sollte man auch Kindern schon beibringen", fordert Hahn. "Nur Wissen schützt vor Schaden." (APA/red)