Geplatzter Sternen-Traum bei Eselböck:
Christoph Wagner über den "Taubenkobel"
Guide Michelin. Seit zwei Wochen wird Walter Eselböck zum dritten Michelin-Stern gratuliert. Nur: Er kriegt ihn nicht.
Die Schlange der Gratulanten war lang. Der Fotograf und Gourmet Manfred Klimek widmete dem so gut wie sicheren Gerücht, dass sein "Stammwirt" Walter Eselböck im burgenländischen Schützen als erster Österreicher den begehrten dritten Michelin-Stern erhalten würde, sogar eine Doppelseite im "profil". PR-Profi Wolfgang Rosam wollte "auf den Dritten" gar eine Kiste Champagner wetten. Und auch sonst rauschte es so euphorisch durch den Blätterwald und das Internet, dass am Schluss sogar Meister Eselböck selbst an das Gerücht glaubte und sich gerne zu den neuen Ehren gratulieren ließ.
Die Skeptiker wurden laut
Weltstars unter den Köchen. Der "dritte Stern" wurde vom französischen "Guide Rouge" bisher weltweit nur 57-mal vergeben, und wer ihn besitzt, kann sich mit Fug und Recht als Weltstar unter den Köchen bezeichnen. Dass Eselböck nunmehr einer dieser Weltstars sein sollte, rief auch prompt zahlreiche Skeptiker auf den Plan. "Um Gottes willen, grad der, der's am wenigsten verdient hat!", schlug ein Kochkollege aus dem Westen, als ich ihn darauf ansprach, die Hände über dem Kopf zusammen. Und ein Kritikerkollege aus dem Süden meinte fassungslos: "Wer in Österreich einen lustvollen Verriss schreiben will, der braucht nur in den "Taubenkobel" essen zu gehen, ohne dort bekannt zu sein."
Einer der besten Köche
Auf der anderen Seite gilt Walter Eselböck keineswegs zu Unrecht als einer der klarsichtigsten und erfindungsreichsten Köche des Landes, dessen Küche von einer durchaus erfolgsträchtigen Mischung aus Gaumenabenteuerlust, Glamour und Avantgarde geprägt ist.
Heißer Anwärter
Tatsächlich ist der "Taubenkobel" - und das bestätigt auch Michelin-Chefredakteurin Juliane Caspar aus Karlsruhe - nach wie vor ein Anwärter auf den dritten Stern, und zwar gemeinsam mit seinen Co-Zweisternern Lisl Wagner-Bacher und Johanna Mayer, den Brüdern Obauer in Werfen und den zwei neuen Zweisternern Heinz Hanner aus Mayerling sowie dem "Mayer's" auf Schloss Prielau in Zell am See.
Doch ein 3-Sterner für Österreich?
"Ob es noch ein oder zwei Jahre dauern wird, bis auch Österreich seinen Dreisterner hat", gibt sich Michelin-Chefredakteurin Juliane Caspar zugeknöpft, "lässt sich heute noch nicht sagen. Sobald uns ein Koch oder eine Köchin durch mehrere Spitzenleistungen hintereinander nicht nur von seiner Klasse, sondern auch von seiner Beständigkeit überzeugt, werden wir den dritten Stern vergeben."
Lieber klassisch als "molekular"
Juliane Caspar widerspricht auch den andernorts geäußerten Vermutungen, der Guide Michelin sei seit einigen Jahren um ein flotteres und fortschrittlicheres Image bemüht und ziehe in seinen Bewertungen daher eher "zeitgeistige" Küchenchefs vor. "Wir sind und bleiben eher ein konservativer Führer", beharrt die Chefredakteurin. "Wenn jemand die Molekularküche wie Ferran Adrià oder Heston Blumenthal perfekt beherrscht, so hat er natürlich seine drei Sterne. Aber ganz allgemein bin ich nicht der Meinung, dass die Molekularküche der klassischen unbedingt überlegen ist."
Wer streute das Gerücht?
Wie es zum Dreisterne-Gerücht um den Koch-Avantgardisten Eselböck kam, bleibt Frau Caspar jedenfalls schleierhaft. "Angeblich soll der spanische Michelin-Chefredakteur ein entsprechendes Urteil abgegeben haben", erzählt sie. "Ich kann Ihnen aber versichern: Der hat dort definitiv nicht getestet!"
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