Das Gfrett ohne Besteck
Hierzulande protzt man mit den verschiedensten Esswerkzeugen: Buttermesserchen, Gäbelchen fürs Amuse gueule, Vorspeisenbesteck, Suppenlöffel, Fischmesser, Hauptspeisenbesteck, Dessertgabel und Löffel.
In vielen Ländern Asiens findet man mit einem Löffel und zwei Stäbchen das Auslangen, in Indien braucht man nur die rechte Hand. Als ich das erste Mal in einem Einheimischen-Restaurant in Kochi war, hatte ich meine liebe Not. Das Gemüse war kein Problem, doch Reis und Saucen entpuppten sich als schwieriger Fall. Doch sollte ich aufs Curry verzichten, nur weil ich keine Idee hatte, wie ich die Hürde von gerademal fünfundzwanzig Zentimetern zwischen Schüsselchen und Mund schaffen sollte? Ich beobachtete die anderen Gäste, schaute mir ihre Techniken ab. Eine davon gelang mir auf Anhieb: Etwas vom Chapati oder Naan Brot abzupfen, damit ein Stückchen Fleisch samt Sauce fest umfassen und schwups in den Mund. Der nächste Versuch ging leider in die Hose bzw. aufs T-Shirt: Aus dem Reis ein Kügelchen formen, in die Sauce tauchen und schwungvoll in den Mund damit. Leider hab ich vergessen, den Kopf in den Nacken zu werfen, die Inder machen das blitzschnell, dann funktioniert’s auch.
Ähnlich machen es die Marokkaner, sie verwenden drei Finger der rechten Hand als Besteck. Ein entzückendes Tischritual kann man bei privaten Einladungen beobachten: Der Gastgeber löst – natürlich auch mit den Fingern – das zarteste Fleisch vom Knochen oder das schönste Stück vom Fisch und legt es seinen Gästen vor.
Barbara Knapp ist GUSTO Redakteurin und schreibt in ihrer Kolumne "Knapp daneben" über kulinarische Highlights in anderen Ländern.