Gourmet-Kritiker bitten zu Tisch: Neue Lokalführer "würzen" Austro-Guidemarkt!
Diese Woche stellte Wolfgang Rosam, Chef der PR-Agentur Publico, den VIPGOURMETclub vor. Rosam, vom nunmehrigen Konkurrenten "Gault Millau" noch 2000 zum "Feinschmecker des Jahres" gekürt, hatte einst Interesse gezeigt, Michael Reinartz als Chef des ältestgedienten Gourmet-Guides zu beerben. Nach dem Scheitern der Gespräche initiiert Rosam nun mit einem Startbudget von 1,5 Millionen Euro und vier Mitarbeitern seinen eigenen Guide.
Nach dem Vorbild des US-Guides "Zagat Survey" sollen vorerst 25.000, später 40.000 Amateurtester Votings abgeben, der Schnitt aus allen Tests soll eine Gesamtwertung ergeben. Rosam sieht das als "Demokratisierungsschub" in der Testerszene. Etwaige Manipulationsversuche oder Ausreißerwertungen werden durch einen Beirat der wichtigsten Gourmetjournalisten abgefedert.
Voting per sms
Der Modus der Bewertung unterscheidet sich etwas vom Vorbild "Zagat". Bei Rosam kann nicht jedermann Tester werden, sondern T-Mobile & Erste Bank und Sparkassen bieten als Sponsoren des VIPGOURMETclubs ihren 25.000 Topkunden die Mitgliedschaft an. Wer mitmacht, erhält eine schwarzgoldene Karte als Ausweis (und Zahlungsmittel) und wird angehalten, sich bei Reservierung als Clubmember zu deklarieren. Gleich nach Genuss des Mahles soll der Tester per SMS-Dialog vom Tisch aus seine Kritik abgeben. Bewertet wird nach dem Schulnotensystem.
Bei Konkurrenten und Gastronomen sorgen derzeit einige Punkte für Diskussionsstoff. Mitbewerber und "A la Carte"-Herausgeber Christian Grünwald: "Ich hätte jede Sympathie für einen Publikumsguide auf breiter Basis, weil auch mein voyeuristisches Interesse befriedigt würde, wie Leute von der Straße über die von uns bewerteten Lokale voten. Aber das passiert ja nicht, denn das ist ein Kundenbindungsprogramm zweier Unternehmen."
Rosams Replik: "Natürlich muss es einen Nutzen für die Sponsoren geben, aber man muss weder Kunde bei der Erste Bank sein noch T-Mobile-User. Das Voting funktioniert aus jedem Netz. Und es kann sich jeder, der gerne und oft essen geht, bei uns über das Internet bewerben. Man kann uns also nicht als Kundenbindungsprogramm abtun."
"Guide Rouge" kommt
Der französische "Michelin", der bislang Österreich als einzige kulinarische Hochburg Europas nicht mit einem eigenen Führer würdigte, schickt erstmals seine Tester durch die Gaststuben der Nation. Im Gegensatz zu allen anderen Guides sind die "Michelin"-Inspektoren hauptberufliche Esser, treten ausnahmslos allein auf und kosten sich durch die Karte. Bis dato wurden in Österreich nur eine Hand voll Lokale in Wien, Salzburg und Innsbruck für die Europa-Ausgabe bewertet. Nachvollziehbar waren diese punktuellen Tests für hiesige Beobachter der Szene kaum. So benoteten die "Michelin"-Männer nur die Gebrüder Obauer mit zwei von maximal drei möglichen Sternen. Der Salzburger Nobelgasthof "Brandstätter" wurde mit einem Stern gleich bewertet wie das Wiener "Steirereck", während etwa "Gault Millau" dem einen zwei, dem anderen vier Hauben verlieh. Der nunmehrige Markteinstieg erfolgt unter eher ungünstigen Begleitumständen. Seit Monaten ist der rote Führer vor allem wegen der Anschuldigungen des entlassenen Testers Pascal Remy in die Kritik gekommen.