Gourmetpapst Christoph Wagner über das portugiesische Restaurant "Senhor Vinho"

Lusitanien. Endlich hat Wien wieder ein portugiesisches Restaurant, noch dazu ein ziemlich gutes. „Unser Koch heißt Jesus, und er kann Wunder wirken“, sagt dessen Jünger Nelson Fadista dos Santos. Doch Nelson ist nicht nur der Jünger des Kochs, sondern auch sein Chef. Lange genug hat der studierte Marketing-Experte nach einer göttlichen Küchen-Erscheinung gesucht und in sie in Gestalt eines portugiesischen Holzfällers gefunden, der, obwohl (oder gerade weil) Autodidakt, die lusitanische Küche im kleinen Finger hat.

Gemeinsam mit Jesus und Bruder Daniel führt Nelson nun schon seit ein paar Wochen Wiens einzigen Portugiesen, und zwar auf erfreulich authentische Weise. Das beginnt schon damit, dass „Senhor Vinho“ (wie alle guten Lokale in Lissabon auch) nicht in der City, sondern in einem leicht verrufenen Viertel in einem leicht abgewetzten Lokal liegt, das die Brüder jedoch gemütlich und sauber revitalisiert haben.

Statt einer Speisekarte gibt es eine tragbare Schiefertafel, die Nelson für alle Gäste so akribisch kommentiert, dass es schon eine Weile dauern kann, bis man selber drankommt. Auf diese Weise hält der Patron dem Koch allerdings auf wundersame Weise den Rücken frei. Denn während er parliert, hat dieser Zeit, die Gerichte mit der nötigen Sorgsamkeit zuzubereiten. Das muss er auch, denn der Charme der portugiesischen Küche liegt weder in ihrer Raffinesse noch in ihrer Leichtigkeit, sondern in der gekonnten Kombination von Bauern- und Seefahrergerichten mit exotischen Aromen wie Koriander und Piri-Piri.

Bei Schweinefleisch mit Muscheln läuft Jesus daher ebenso zu Höchstform auf wie bei Stockfisch oder geschichtetem Erdäpfelpüree mit Thunfischschnitzen. Wundersam wird einem auch angesichts der köstlichen Desserts zumute, bei denen leider die berühmten Ovos moles (süße Eier) — noch — fehlen. Ebenfalls wünschen würde man sich hier, zumindest hin und wieder, ein Milchferkel, dessen Kruste beim Reinbeißen nirgendwo so melodisch klirrt wie zwischen Lissabon und Porto.

Apropos Porto: Für die Weine sorgt die Vinothek Gawein Bruckner, deren zahlreiche autochthone Tropfen man zum „Vinhotheks“-Preis auch zum Nachverkosten mit nach Hause nehmen kann. Als Motto haben Nelson und Daniel für ihr neues Restaurant ein Zitat von Montesquieu gewählt: „Das gute Essen ist einer der vier Zwecke des Daseins. Welches die drei anderen sind, habe ich noch nicht ergründet.“ Dabei könnte Monsieur Montesquieu nach einem Besuch des „Senhor Vinho“ leicht geholfen werden: Das zweite wäre der Wein, das dritte der Fado, den die Familie dos Santos auf Verlangen gerne anstimmt — und was danach kommt, lässt sich mit dem portugiesischen Wort „Sentimento“ wohl am besten umschreiben.

Senhor Vinho, 1050 Wien, Schwarzhorngasse 8
Tel: 0 1-545 84 00, kein Ruhetag, tgl ab 17.30h geöffnet;
Info: http://www.senhorvinho.at
Prädikat: preiswert, gut und echt

Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog
Info-Link:
www.speising.net