Im Kampf gegen Übergewicht setzen die Amerika jetzt auf gesundes "Slow Food"

Fast Food hat aus den USA ein Land der Dicken gemacht. Zwei Drittel aller Amerikaner wiegen zu viel. Kein Wunder bei Burgern mit 1.200 Kalorien, Riesenportionen Pommes frites und Eis. "Wir haben uns in den vergangenen 20 Jahren wie Gänse gestopft", stellte das "Time"-Magazin kürzlich fest. Sorgen bereitet US-Medizinern vor allem der Nachwuchs. Manche der fettleibigen Kinder zeigten den Beginn von Krankheiten, die bisher frühestens bei 40-Jährigen auftraten: Herz- und Kreislaufleiden, Fettleber, Diabetes Typ 2, Gallensteine und Gelenkverschleiß.

"Aus den krankhaft fettleibigen Kindern werden null Prozent zu normalgewichtigen Erwachsenen heranwachsen", meint der amtierende Oberste Amtsarzt der USA, Steven Galson. Die künftigen Kosten im Gesundheitswesen seien kaum auszudenken, warnen Experten. Besonders für eine Nation, die in ihrem Wahljahr 2008 fast 46 Millionen Bürger ohne Krankenversicherung lässt.

Was liegt näher als eine Kehrtwende - Slow Food statt Fast Food? Noch ist der neue Begriff nicht in aller Munde. Doch die Begeisterung für natürliche, also "langsame Nahrung" greift um sich, von Kalifornien bis zur Ostküste. Wer kann, kauft sein Gemüse vom Bauern statt im Supermarkt. Kommunale Verbände, sogenannte Food Cooperatives, beackern Land zusammen und teilen sich oder verkaufen die Ernte.

Wer einen eigenen Garten, aber keine Zeit zum Gärtnern hat, lässt sein Obst oder Gemüse gegen Bezahlung anbauen. "Selbst anpflanzen oder andere für sich anpflanzen zu lassen, ist unübertrefflicher Luxus", schwärmt der kulinarische Kolumnist Corby Kummer. "Das ist in Mode gekommen."

In Mega-Citys wie New York genießen Märkte mit Tomaten, Beeren und Honig aus dem Umland wachsenden Zuspruch. Das berühmte Plaza Hotel bietet ein "100-Meilen-Menü", das dem Gast regionale Produkte aus dem entsprechenden Radius garantiert. Betuchte New Yorker ordern neuerdings ihren Anteil an Rindern, die auf den Wiesen von Long Island oder im Norden der Stadt grasen. Der Vorgang ist als "Cow Pooling" bekannt.

"Local Produce", landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Umgebung, sind in den USA mehr gefragt als Steaks von texanischen Herden oder exotische Früchte aus Übersee. Das lernte der Dachverband der US-Gastronomen (National Restaurant Association) dieses Jahr aus einer Umfrage unter 1.200 Köchen. Nur auf eins fahren Amerikaner demnach noch mehr ab: Delikate Nachspeisen in kleiner Größe.

"Wir sind programmiert, Kalorienbomben in Mengen zu verdrücken", wirft Sharman Apt Russell, Autor des Buches "Hunger: An Unnatural History", der Lebensmittelindustrie und ihren Marketingstrategen vor. Hände weg von industriell verarbeiteter Nahrung, raffinierten Kohlenhydraten und sogar Low-Fat-Produkten warnt auch Michael Pollan in seinem neuen Bestseller "In Defense of Food". Pollans Rat für eine gesunde Ernährung beschränkt sich auf sieben Worte: "Iss natürlich. Nicht zu viel. Überwiegend pflanzlich." Alles andere fördere Fettleibigkeit, ein krankes Herz oder Krebs.

Dass Pflanzliches oft mehr kostet als fettige Hühnerflügel aus dem nächsten Imbisslokal, räumt Pollan ein. Laut "Time" stieg der Preis für Gemüse und Obst in den USA von 1989 bis 2005 fast 75 Prozent, der für Fette aber sank um 26,5 Prozent. Neben Einkommen, Bildung und Familienstand spielt die Geografie mit bei der Wahl zwischen Slow und Fast Food. In abgelegenen Landstrichen, ganz besonders den Indianerreservaten der USA, ist frischer Salat und Gemüse eine Rarität. Entsprechend hoch liegt dort die Zahl der Übergewichtigen.

Einmal angegessen, sind die Kilos schwer wieder abzuspecken. Selbst wer seinen Fettpolstern erfolgreich zu Leibe gerückt ist, hat den Kampf noch längst nicht gewonnen. Ein Forscherteam um Michael Rosenbaum von der Columbia Universität in New York wies kürzlich im "Journal of Clinical Investigation" nach, dass das Fetthormon Leptin den Betroffenen einen Streich spielt. Leptin tritt bei einem Gewichtabbau von zehn oder mehr Prozent in Aktion. Es sorgt über eine Reihe von Tricks dafür, dass der Körper seine "verlorenen" Kilos zurückerhält. (apa/red)