In der Kaiserloge unter freiem Himmel: Christoph Wagner besuchte 'Graf Hunyady'

Es fehlt nur noch der Vollmond, sonst ist alles perfekt. Im Clubhaus an der Driving-Range von "Golf 2000", das wie eine chinesische Pagode aussieht, sind die letzten Lichter erloschen. Mit der Prater-Lilliputbahn kommen noch ein paar Liebespärchen an, die ins benachbarte Freiluftkino spazieren.

Über den Lichterbögen von Riesenrad und Hochschaubahn blitzen die Sterne, und Donauturm, Millenniums-Tower sowie Kahlenberg-Sender verfestigen sich mit der Mexikoplatz–Kirche zu einem panoramatischen Schattenriss.

Wir sitzen unter freiem Himmel in der alten Kaiserloge mitten auf der Tribüne des menschenleeren Trabrennplatzes Krieau. Dieser steht während der Sommerpause nämlich dem Rennplatzrestaurant "Graf Hunyady" zur Verfügung, das Werner Salansky, seines Zeichens Honorarkonsul von Dschibuti, vor ein paar Monaten hier eröffnet hat. Und während wir da genüsslich vor uns hinschmausen, schaut Bernhard Rieder vorbei, ein so sympathischer wie exzentrischer junger Koch, der uns als Zwischengang ein Stangerl Zuckerwatte in die Hand drückt: "Gut Essen ist der Orgasmus des Magens", sagt er. Und wer wollte ihm da schon widersprechen?

Rieder, bei dem man an so unterschiedlichen Plätzen wie dem Ruster Inamera und dem Salzburger Perkeo schon exzellent gespeist hat, kann und will seine Lehrjahre beim Londoner Kultkoch Marco Pierre White nicht verleugnen, unterhält ein recht entspanntes Verhältnis zu Espumas, Gemüseeis, süß-sauren Pralinés, bunten Gelees, "geselchten" Saucen, originellen Moussen und Zeitgeist-Dekor, beherrscht aber auch das klassische Handwerk. Die Sauce zu seiner famosen Taubencrepinette muss ihm in Sachen Aromatik erst jemand nachmachen, und was ihre Konsistenz betrifft, wäre wohl auch ein Tischlermeister damit zufrieden.

Superb auch, mit welchem Feingefühl Rieder den Neusiedlersee-Zander behandelt, und hintergründig der Witz, mit dem er Retro-Klassiker wie "Heiße Liebe flambiert" oder "Es war einmal der Bananensplit" höchst wirkungsvoll zu reanimieren versteht. Für eine so profunde wie originelle Weinbegleitung und smalltalksichere Füllung allfälliger Geprächspausen sorgt Maître Karl Zeisler (früher Eselmühle, St. Margarethen). Im Open-Air gleich nebenan läuft eine deutsche Schmonzette, in welcher eine romantische Primadonna und ein verliebter Komponist Orgasmen der eher althergebrachten Art anstreben, während im Hintergrund rauschhafte Puccinimusik anschwillt.

"Das ist ja wie in einem Fellinifilm hier", sage ich träumerisch. "Ja, Sie haben Glück heute", erwidert Karl Zeisler. "Bei 'Star Wars' ist es hier draußen weit weniger lustig."

Adresse: Tribüne 1, Trabrennbahn Krieau, Nordportalstraße 247, 1020 Wien

Leitung: Werner Salansky
Küchenchef: Bernhard Rieder

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