Jägermeister sucht den Imagewechsel

Als schneller Verdauungsschnaps an der Tankstelle wurde der „Jägermeister“ in der grünen Mini-Flasche bekannt. Wirklichen Kultstatus erlangte der Kräuterlikör in den vergangenen Jahrzehnten bei Jugendlichen. „Doch da ist mehr dahinter als den Stöpsel auf die Nase geben und den Likör wegkippen“, erklärte Marcus Thieme, Regionaldirektor von Westeuropa bei Mast-Jägermeister SE. Das in Wolfenbüttel ansässige deutsche Unternehmen möchte den Likör als Digestif salonfähig machen, besonders in Österreich gebe es dafür Potenzial, so Thieme.

Jägermeister sucht den Imagewechsel

Hauptzielgruppe sind derzeit die 20- bis 35-Jährigen. „Wir haben oft das Image als ‚Komasauf-Marke‘“, sagte Thieme. Jetzt wolle man die sogenannte Lost Generation wieder ins Boot holen, erklärte der Regionaldirektor, der auch für Österreich zuständig ist. Das sind jene Menschen, die nach Familiengründung nicht mehr feiern gehen. Der „Jägermeister“ soll bei dieser Gruppe somit als Digestif-Getränk etwa beim Dinner eingeführt werden. Ein erster Schritt: Bei Events werden silberne Schalen gefüllt mit kleinen Kräuterlikörfläschchen auf den Tischen stehen. „Das funktioniert ganz gut“, sagte Thieme.

Coole Marketing-Ideen
Die Marketing-Ideen des Unternehmens sind bereits legendär. In den 1960er Jahren wurde „Jägermeister“ als erstes alkoholisches Getränk auf Tankstellen verkauft. 1973 führte das Unternehmen erstmals die Trikotwerbung in der Fußball-Bundesliga ein, indem es den Verein Eintracht Braunschweig ausstattete. Ab 2000 wurde die Marke verjüngt, indem Rock-Konzerte und Party-Veranstaltungen unterstützt wurden. Musiker identifizierten sich mit dem Getränk, das Wolfenbütteler Unternehmen griff besonders jungen Bands unter die Arme. Die Düsseldorfer Punk Rocker „Die Toten Hosen“ errichteten mit dem Song „Zehn Kleinen Jägermeister“ dem Getränk ein kleines Denkmal. Die „Hosen“ hatten damals laut Thieme übrigens bei der Unternehmerfamilie Mast angefragt, ob sie ein derartiges Lied finanziell unterstützen würde – es wurde abgelehnt.

Likör ohne Energy-Unterstützung
Kopfzerbrechen bereitet dem Unternehmen jetzt, wie es den Likör wieder mehr als Shot etablieret, also pur im Schnapsglas. In Amerika und Großbritannien etwa boomt der Markt aufgrund des Mischgetränks „Jägerbomb“. In Österreich ist die Mischung unter „Flying Hirsch“ („Jägermeister“ mit einem Energydrink) bekannt geworden. „Die Leute dort kennen ‚Jägermeister‘ nicht als Shot, sondern nur in Verbindung mit dem Energydrink“, sagte Thieme. „Und irgendwann ist diese Spaßnummer zu Ende und die Umsatzzahlen gehen wieder dramatisch zurück. Wir müssen schnellstens beginnen, den Leuten mehr über das Produkt zu erzählen.“

Streng geheime Rezeptur
Seit 75 Jahren wird „Jägermeister“ nach einer unveränderten Rezeptur aus 56 Kräutern, Blüten, Wurzeln und Früchten erzeugt, sagte Berndt Finke, Leiter der Abteilung Rohwaren und Herstellung. Die genaue Zusammensetzung wird genauso streng geheim gehalten wie jene von Coca Cola. Der Likör wird ein Jahr lang in Eichenfässern gelagert und während der Herstellung 383 Qualitätsprüfungen unterzogen. Im Lager gibt es so viel Rohmaterial, dass „Jägermeister“ noch für die nächsten zwei Jahre hergestellt werden kann. Entwickelt wurde der Likör 1934 von Curt Mast, der in jahrelanger Arbeit die geheimnisvolle Rezeptur entwickelte. Nur 25 Inhaltsstoffe werden der Öffentlichkeit preis gegeben, die aus allen Herren Länder zusammengetragen werden - darunter Sternanis aus dem Fernen Osten, Zimtnelken aus Madagaskar oder Zimt aus Sri Lanka.

Beliebter in den USA
Weltweit liegt „Jägermeister“ bei den größten Premium Spirituosen auf Platz acht (Platz 1 Smirnoff, Platz 2 Bacardi und Platz 3 Johnnie Walker). Nach letzten Zahlen hat Mast-Jägermeister SE global 61,4 Millionen Liter (87,1 Millionen Flaschen zu je 0,7 Liter) ihres Kräuterlikörs verkauft, um 2,9 Prozent mehr als 2010 (84,6 Millionen Flaschen). In Österreich wurden gut eine Million Liter verkauft. Der größte Markt ist interessanterweise nicht Europa, sondern Amerika mit 48 Prozent. Derzeit wird in über 90 Länder exportiert. In Österreich wird „Jägermeister“ auf Lizenzbasis durch die Grazer Destillerie Franz Bauer hergestellt.

apa/red