Kunst-Cuvée: Lebenskünstler Willi Bründlmayer über Ästhetik im Weingarten

Winzer Willi Bründlmayer ist ein Lebenskünstler, verträumt und neugierig. Ursprünglich wollte er ein „echter“ Künstler werden, jetzt ist er ein Künstler des Weinanbaus. Und ein Sammler anderer Kunstwerke.

Kunst braucht Winzer Willi Bründlmayer, 56, wie die Luft zum Atmen, und er lebt sie auch jede Minute. Die Kreativität begleitet den Winzer bei seiner Arbeit in den Weinfeldern, privat bei Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Sein Wohnhaus im niederösterreichischen Langenlois ließ er von Architekt Helmut Hempel gestalten. 20 Gemälde schmücken die Wände, alle mit viel Sorgfalt und Liebe gesammelt. „Wenn ich meine Bilder betrachte, versuche ich sie aus den Augen des Künstlers zu sehen.“

Landschaftsarchitekt
Bründlmayer überlässt nichts dem Zufall. Sogar die Stützmauern seiner Weinterrassen sind künstlerisch angelegt. Den Käferberg, auf dem die Reben der Sorten Grüner Veltliner und Blauburgunder gedeihen, ziert eine turmhohe Skulptur vom heimischen Bildhauer Heimo Zobernig, die Weintrauben überdimensional darstellt, „eine Stahlkonstruktion, die das Schwere besonders leicht aussehen lässt“, schwärmt Bründlmayer.

Ästhetik ist dem Winzer ein Wesentliches, auch im Weingarten. Die meisten Reben wachsen gerade nach oben. Bründlmayer hat sich bei einigen Rebzeilen auf die sogenannte Lyra-Architektur spezialisiert. Das ist eine Reberziehung, bei der die Laubwand in zwei Teile aufgefächert wird. Dadurch entsteht das dem Saiteninstrument Lyra ähnliches Aussehen. Bründlmayer: „Das ist in Bezug auf den Arbeitsaufwand gegen jede ökonomische Vernunft, es macht jedoch Spaß, und die Weine werden gut.“

Eigentlich wollte der Winzersohn Künstler werden. Aber wie das Leben so spielt, ist er letztendlich doch in die Fußstapfen seiner Eltern gestiegen. Nicht durch Zwang, sondern durch Selbsterkenntnis. Gut so. Heute bezeichnet er seinen Brotberuf gar als Hobby.

Vom Volkswirt zum Weinbauern. Sicher ist sicher, dachte sich der junge Bründlmayer damals und studierte neben seiner Weinbauausbildung Volkswirtschaft. „Damit habe ich meinen Eltern einen großen Schrecken eingejagt, sie haben mich schon in einen anderen Beruf abgleiten gesehen. Ich habe jedoch immer gerne mit den Händen gearbeitet. Und ich habe letztendlich die Einsicht gewonnen, dass Weinbau gar nicht ein so tief ernstzunehmender Job sein muss, sondern viel Freude bereiten kann.“

Bei den Eltern war das nicht so. „In den Kriegsjahren lebten sie in ständiger Angst vor Enteignung. In der Nachkriegszeit hatte niemand genug Geld, um beim Wein auf Qualität zu achten. Da hat nur der Preis gezählt“, erinnert sich der Winzer. Als er 1981 das Weingut übernahm, gab es schon eine Trendwende. Die Nachfrage nach guten Weinen stieg. Und der Weinskandal 1985 trug ebenfalls dazu bei, dass die Kunden mehr Wert auf Qualitätsweine legten. In dieser Zeit schaffte Bründlmayer sich großen Respekt bei der französischen Chardonnay-Elite: Bei einer Blindverkostung siegte er gegen die Gallier mit dem Rebensaft aus dem Kamptal. Die Welt der Kunst verließ er trotzdem nie.

Kunstfreunde. Die erste Begegnung mit einem Maler hatte der damals 19-Jährige bei einer Ausstellung, als er an der Bar mit einem Steirer ins Gespräch kam, mit seinem späteren Freund, dem inzwischen verstorbenen Robert Zeppel-Sperl. „Ich schätzte seine Kunst und mochte ihn sehr gerne als Mensch.“ Das Lieblingsbild von Bründlmayer ist ein Zeppel-Sperl. Es hängt in Langenlois und heißt „Bacchanal“ (Weinfest). Auf dem Bild verewigte der Künstler sich selbst, seinen Freund Bründlmayer und Dionysos, den griechischen Gott der Ekstase und des Weins, samt Bacchantinnen und tanzenden mythischen Fabelwesen, halb Mensch, halb Bock. Beim Erwerb seiner Bilder verlässt sich Bründlmayer ganz auf sein Gefühl. „Ich kaufe Bilder nicht als Wertanlage. Meine Entscheidungen erfolgen aus dem Bauch heraus und sind völlig subjektiv.“

Wichtig bei dieser Auswahl ist auch die Meinung seiner Ehefrau. „Es wird kein Bild aufgehängt, das ihr nicht gefällt. Sie hat immer ein Vetorecht“, schmunzelt der Weinexperte. Das Urteil seiner zwei großen Kinder Vincent, 25, und Cécile, 22, ist nicht mehr relevant, denn die sind bereits ausgeflogen und leben in Wien. Sein jüngster Sohn Anselm, 15, darf – zumindest solange er in der elterlichen Obhut lebt – mitentscheiden, was an die Wand kommt und was nicht.

Ungeklärte Nachfolge. Über die Nachfolge in seinem Weingut will Bründlmayer erst in zehn Jahren nachdenken. „Der Wein muss so entstehen, wie ihn der Winzer selber gerne trinkt. Meine Kinder dränge ich nicht dazu, das Gut zu übernehmen. Sie sollen machen, was sie interessiert und was sie am besten können. Aber vielleicht empfinden sie eines Tages den Weinbau so wie ich: mit Laubwerk, Vögeln, Grillen, Traktoren und dem entfernten Lärm aus der Stadt. Die Arbeit im Weingut hinterlässt immer das Gefühl, an der Entstehung von etwas Sinnvollem beteiligt zu sein.“

Die gesamte Geschichte lesen Sie im Format Nr. 32/08!