Mazedonien lockt Cognac-Schatzsucher:<br> Edle Tropfen aus dem Ersten Weltkrieg

Wenn die Einwohner von Gradesnica in Mazedonien an die alten Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg denken, fällt ihnen nicht nur die blutige Vergangenheit ihres Dorfes ein: Seit fast 100 Jahren ist dort wo früher die französischen Mannschaftsquartiere standen, Kistenweise Cognac in der Erde vergraben. Eine Flasche bringt bis zu 5.000 Euro ein, schätzt der Weinexperte Mihail Petkov von der Universität Skopje. "Je älter, desto besser." Nicht alle Funde aber werden zu Geld gemacht.

Die Versorgungsrationen für die französischen Soldaten haben sich inzwischen zum exquisiten Tröpfchen entwickelt, das auch glückliche Finder in Gradesnica und Umgebung zu schätzen wissen. "Zuerst haben wir uns kaum getraut, die dunkle, dicke Flüssigkeit zu kosten", sagt der 64-jährige Stefan Kovacevski. Dann aber habe der Geschmack sie umgehauen: "Das muss genau das sein, was die Leute meinen, wenn sie vom Nektar der Götter sprechen."

Erste Entdeckungen
Die ersten Flaschen wurden vor rund 15 Jahren entdeckt. Seitdem kamen mehrmals Funde von etwa zwei Dutzend Flaschen zu Tage. Einmal stießen Landwirte beim Umgraben ihrer Felder auf die köstlichen Tropfen, an anderes Mal fiel Dorfbewohnern ein Glitzern in der Erde eines alten Schützengrabens auf.

Nicht zum Verkauf
In Gradesnica, 200 Kilometer südlich von Skopje, standen die Franzosen und ihre serbischen Verbündeten den Deutschen und Bulgaren gegenüber, wie Najdo Koleskovski aus dem Nachbardorf Gruniste berichtet. Die Ortschaft lag 1916 im Zentrum der Kämpfe, mit denen die Alliierten den Vormarsch der Mittelmächte stoppen wollten. 15 Flaschen alten Weins und Cognacs fielen den Einwohnern von Gruniste vor einigen Jahren in die Hände. Zusammen mit drei Freunden habe er alle Flaschen, die er gefunden habe, innerhalb weniger Tage ausgetrunken, erzählt Koleskovski. "Es war der beste Trunk meines Lebens."

Gourmet-Touristen
Das abgelegene und nicht an die Stromversorgung angeschlossene Gruniste liegt auf der einstigen französischen Seite der Front. Weil noch viele Flaschen in der Umgebung des Dorfes vermutet würden, kämen auch immer mehr Ausländer auf der Suche nach dem wertvollen Cognac, berichten die Bewohner. Die Fremden, darunter viele Franzosen, durchkämmten die Region mit Landkarten in der Hand. "Nichts schmeckt besser, und deshalb kommen die Franzosen hierher", sagt der 73-jährige Petar Sindevski. "Hier müssen noch viele Vorräte an Cognac oder Wein vergraben liegen. Es ist ein wahrer Schatz."
(APA/red)