Moritz Freiherr Knigge: "Essen ist eine der schönsten Kommunikationsplattformen"

Moritz Freiherr Knigge zeigt Unternehmen, wie wichtig werteorientierte Kommunikation ist. Privat legt der Nachfahre des berühmten Moralphilosophen Wert auf gutes Essen und Trinken in geselliger Runde.

Knigge lebt. Knigge sind nicht nur die vermeintlichen Benimmregeln, sondern Knigge gibt es leibhaftig. Moritz Freiherr Knigge, 40, ein Nach­fahre des Moralphilosophen Adolph Franz Friedrich Freiherr von Knigge (1752–1796), machte eine Stippvisite nach Wien. Der Managementtrainer klärt gleich zu Beginn des Gesprächs den missinterpretierten Knigge auf: „Mein Vorfahre schrieb ‚Über den Umgang mit Menschen‘ und nicht über den Umgang mit Messer und Gabel.“ Absolute Priorität hat für den jungen Knigge, sich gegenseitig hohen Respekt zu zollen. „Lieber missachte man eine Regel, bevor man jemanden blöd dastehen lässt.“

Simple Speisen für den Buchautor
Moritz Knigge will seinen Vorfahren endlich vom Klischee des „Benimmpapstes“ befreien und schrieb deshalb im Vorjahr das Buch „Spielregeln – wie wir miteinander umgehen sollten“. Parallel dazu entwickelte er innovative Trainings für Unternehmen: wertorientiere Kommunikation und Mit­arbeiterführung, die Entwicklung und Umsetzung von Unternehmens- und Führungsleitbildern. Er selbst weiß ganz gut mit Messer und Gabel umzugehen, und er kocht für sein Leben gerne. Am liebsten bereitet er einfache Speisen wie Hausmannskost zu. „Ich habe das Gefühl, dass die Leute lieber ein Kartoffelgulasch oder Klöße essen, als ständig in abgehobene Gourmettempel zu gehen“, so seine Einschätzung.

Immer ein Gedeck mehr
Für den Managementtrainer, der auf dem Rittergut Bredenbeck bei Hannover aufwuchs, hatten Essen und Gastlichkeit schon immer einen hohen sozialen Stellenwert. „Wir waren immer ein offenes Haus. So weit ich mich an meine Kindheit zurückerinnern kann, waren immer mehr Gedecke am Tisch als Personen. Es könnte ja noch jemand vorbeikommen, hieß es.“ Da gab es etwa einen Nachbarsjungen, der ohne Vater aufwuchs und dessen Mutter knapp bei Kasse war. Für ihn war täglich aufgedeckt, ob er kam oder nicht. „Bei uns kochen alle gerne in der Familie“, erzählt Knigge, der sich gerne als Gastgeber definiert: „Essen ist eine der schönsten Kommunikationsplattformen“, schwärmt er. Für ein gutes Essen braucht er auch immer jemanden, der daneben sitzt. Alleine essen zu gehen sei langweilig. Am Herd steht der Mann rein aus Leidenschaft, dafür fast täglich. „Ich erhebe nicht den Anspruch, perfekt zu sein. Vielleicht mach ich auch einiges falsch. Aber wenn ich nicht weiter weiß, hole ich mir Tipps von meiner Mutter“, erklärt Knigge.

Essen nach der Jahreszeit
Die Speisekarte richtet sich nach den Jahreszeiten. Im Winter gibt es Wirsing, Kohlrouladen oder Rosenkohl, ganz einfach. Zu seinen kulinarischen Favoriten zählt er Fleisch in jeder Form: „Ich könnte niemals Vegetarier sein“, gesteht Knigge. Im Sommer gibt es oft Fisch wie Egli oder Felchen. Beides Schweizer Spezialitäten, die am besten „blau“ gekocht munden. Knigge pendelt meist zwischen seinem Wohnsitz in Düsseldorf und der Bleibe ­seiner Lebensgefährtin Ivon, die am Lac de Neuchâtel, im Schweizer Kanton Neuenburg, lebt. Hierher kommen auch gerne viele Freunde zu Besuch, die dann nach allen Regeln der Knigge-Kunst bekocht werden. Nicht zuletzt wegen der wunderbaren Region des Neuenburgersees, wo an den Weinbergen am Jura-Südfuß Chasselas und Pinot Noir angepflanzt sowie der interna­tional bekannte Oeil de Perdrix entsteht.

Stoffwindeln zum Passieren
Die Gäste von Knigge schätzen am meisten seine Tomatenconsommé. „Die ist einfach zuzubereiten, benötigt jedoch zwei Tage Vorbereitung“, erklärt der Managementtrainer. Das Mühevolle dabei ist die Trennung des roten Stoffes, damit die Suppe klar wird. „Traditionell erfolgt die Klärung durch Fleisch, wenn man jedoch schneller sein will, muss man ein wenig schummeln und nimmt stattdessen Eiweiß. Das bindet den roten Stoff ebenso“, erklärt der Hobbykoch fachmännisch. Seine zwei Geschwister und er haben von der Mutter zu Weihnachten unter anderem Stoffwindeln geschenkt bekommen, um eben solche Speisen besonders fein zu klären.

Anglophilie mit französischen Wein
Zu einer guten Speise gehört natürlich auch ein guter Tropfen. „Ich trinke das, was mir schmeckt“, sagt Knigge. Auskennen tut der Mann sich allerdings ziemlich gut. Das Steckenpferd seines Vaters war nämlich der Handel mit großen Bordeauxweinen. „Ich bin mit der Königsklasse quasi groß geworden“, erzählt Knigge: „Schön wäre, wenn ich mir die auch heute leisten könnte.“ Verarmt ist der Mann freilich nicht, und ein paar gute Tropfen hat ihm der Herr Papa auch hinterlassen. Doch für einen eigenen Weinkeller hat es doch nie gereicht. „Vielleicht hatte ich auch zu wenig Leidenschaft dafür“, sinniert Knigge. Dafür ist der Unternehmer sehr anglophil: Er und seine Geschwister sind in England zur Schule gegangen, seinem Teint und seiner Haarfarbe nach könnte er ein Earl of Kent sein, und auch sein Kleidungsstil ist ganz gentlemenlike. „Ich trage am liebsten Tweed. Dabei würden mich die meisten Leute lieber im grauen Flanell mit Stecktuch sehen“, sagt er. Knigge ist eben nicht Benimmregel, und Knigge kleidet sich auch nicht, wie bei Schäfer-Elmayer gelehrt wird. Sondern ganz nach seiner Façon.

Von Gabriela Schnabel