Otto Schenk - 'Wer kocht, ist selber schuld':
Ein Kochbuch-Tipp von Christoph Wagner

Das Buch beginnt mit einer Warnung, wie sie noch nie in einem Kochbuch zu lesen war: Man möge doch bitte den Rezepten nicht so viel Aufmerksamkeit widmen wie den Geschichten dazu, die durchwegs amüsanter und besser seien.

Das ist natürlich "Fishing for Compliments". Denn übel sind die "guten Rezepte" aus Mutters handgeschriebenem und schon ziemlich zerfleddertem Kochbuch wahrlich nicht. Es ist nämlich eine echte mitteleuropäische Küche mit schmeckbarem Triestiner Flair, die Mama Schenk ihrem Sohn als Leitfaden auf seinen "privaten Windmühlenkampf gegen Trends, gegen gesundes Essen, gegen Diäten, gegen Ängstlichkeit vor verbotenen Kalorien und gegen Arroganz von falschen und dennoch berühmten Küchenpäpsten" mitgegeben hat.

Ein Koch, der nicht kochen kann
Die vierzig Rezepte reichen von Brodetto und Klachlsuppe über Triestiner Kutteln und Thymianhendl bis zu Grießschmarren und Panamatorte. Und wenn Otto Schenk von sich behauptet, "Ich kann eigentlich gar nicht kochen", so scheint in diesem "eigentlich" doch viel Übung zu stecken. Denn ganz so leicht sind Mamas Rezepte nun auch wieder nicht auf den Tisch zu bringen. Es bleibt also, während etwa der Hase mit Champignons vor sich hinschmurgelt, viel Zeit für Schenks wahre kulinarische Lieblingsbeschäftigung: das lustvolle Granteln. Schenk kann das Wort Balsamico nicht mehr hören, er polemisiert (wahrlich nicht als Erster) gegen die Mode, Speisen "an" einer Sauce anzurichten. Das alljährliche Getue um das "Gespenst aus dem Wienerwald" (gemeint ist der Bärlauch) ist ihm eben-so ein Gräuel wie das steirische Kernöl, als dessen Fast-Todfeind er sich outet. Das Filet Wellington einer guten Freundin bezeichnet er lieblos als "Türfüllung". Und von süßsauren Gerichten ist Schenk, laut eigenen Angaben ein "charakterlos konservativer Esser", schlicht ein Feind.

Hoffnungslos heiter gebrutzelt
Vor allem tut Otto Schenk, der das Essen "kaum kaut, sondern möglichst schnell schluckt", in seinem ersten Kochbuch, was er am besten kann: Er gibt pointiert angerichtete Geschichten zum Besten, in denen viel Humor und meist auch ein wenig Wehmut mitschwingt. Wie er mit Helmuth Lohner Bruderschaft aus der Suppentasse trank. Wie er die Choristen aus Donizettis "Liebestrank" während der Proben mit Erdäpfelgulasch bei Laune hielt. Wie Eberhard Waechter seinen Kindern immer belegte Brote zuwarf. Das alles erwacht hier in pointillistischem Stil glaubhaft zu neuem Leben.

Eine kleine literarische Delikatesse
Wo Schenk isst, da stellt sich auch der Schenk-Clan ein. Michael Horowitz verrät Schenks Lieblingsfleischer (den "Haydinger" in Schörfling). Thaddäus Podgorski erzählt, wie Schenk "vor einem Haubenrestaurant wie der Gaul vor dem Schinder" scheut. Helmuth Lohner berichtet, wie der große Bariton Piero Cappuccilli hintereinander fünf Portionen von Schenks berühmtem Gulasch verschlang. Und Rudolf Buchbinder ist auf einem der Bilder dabei zu beobachten, wie Schenk gerade von seinem Pianistenfinger "kostet". Das alles bewegt sich in einer Welt, die nichts mit Molekularcuisine, Fusionwelle und Starköchen, aber viel mit Roda-Roda, Altenberg und der Tante Jolesch zu tun hat. Oder, wie man es auch sagen könnte: Das österreichische "Fress-Feuilleton" ist um eine kleine literarische Delikatesse reicher geworden.

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