"Passt das eh, Chef?": Klaus Kamolz über Spitzenköche und Wutausbrüche am Herd
Wir zappen, und plötzlich brüllt da so ein Typ mit einer Knautschzone als Gesicht herum, und ich hab schon die Fernbedienung wieder in der Hand, da sagt mein neunjähriger Sohn: "Halt, lass das mal!" Wir sind "In Teufels Küche" gelandet, wo Gordon Ramsay, der britische Starkoch (siehe "Schöner essen"), gerade den Restaurantleiter auf Fingerhuthöhe einreduziert, weil der bloß rumsteht und das grindige Essen, das in einem New Yorker Inder serviert wird, grundsätzlich auf den falschen Tischen landet.
"In Teufels Küche" ist so etwas wie "Pimp my car" am Herd; Ramsay saniert gastronomische Notstandsgebiete, und wir können noch froh sein, dass da gerade die deutsche Version auf RTL II läuft. Das Original beschäftigte jüngst sogar das australische Parlament. 80-mal "Fuck" in 40 Minuten zählten die Abgeordneten und riefen nach einem Sprachkodex im Fernsehen.
"Haut der den Restaurantleiter jetzt wirklich raus? So richtig im Fernsehen?", fragt mein Sohn. Ja, das tut er. So richtig im Fernsehen und überhaupt so richtig. Der ehemalige Fußballer, erzähle ich, schlägt sogar seine Köche, und die müssen sich dann dafür entschuldigen, dass er sich dazu genötigt sah. Wow! Aber keine Angst, nicht alle Stars am Herd sind so. Oder doch? Und daraufhin beschließe ich, einmal nachzufragen, was in Österreichs besten Küchen passieren muss, damit die Chefs dort überhitzen.
Walter Eselböck
- Restaurant Taubenkobel, Schützen
Klar passiert es, dass man sich in dieser aufgeheizten Atmosphäre manchmal nicht mehr zurückhalten kann. Bei Fußballtrainern ist es ja auch so, ich sehe da gewisse Parallelen; ich habe zufällig auch elf Leute in der Küche. Am lautesten bin ich wahrscheinlich geworden, als einmal einer meiner Köche einen Lungenbraten parieren sollte. Statt der kalkulierten acht Filets brachte er drei zustande. Den Rest wollte er in einem Topf Rindsuppe verschwinden lassen, damit ich die Verschwendung nicht bemerke. Meine Reaktion? Einmal kurz durchdrehen und dann das tun, was auch ein Fußballtrainer tut: Die Nr. 3 geht raus, die Nr. 8 kommt rein. Das heißt nicht, dass der Koch dann gleich rausgeflogen ist; ich hab ihn nur heimgeschickt, weil ich ihn an diesem Abend nicht mehr sehen wollte. Eine zweite Chance kriegt bei mir jeder.
Reinhard Gerer
- Korso im Hotel Bristol, Wien
Wenn du unter Zeit- und Leistungsdruck stehst, kommt alles zusammen. Dann spürst du dich nicht mehr, wenn was passiert. Exemplarisch ist für mich ein Fall, bei dem ich einen später im Fernsehen bekannt gewordenen Koch, der bei mir anfing, zum Wiener-Schnitzel-Herausbacken einteilte. Er hat's einfach nicht geschafft. Das Fett war entweder zu kalt oder zu heiß. Ich konnte nicht mehr zusehen, hab ihm die Pfanne samt Schnitzel aus der Hand gerissen und in den Mistkübel geschleudert. Ich wollte damit demonstrieren, dass man in Wien so kein Schnitzel macht, aber der Kollege hat wohl geglaubt, das gehört zum guten Ton in der Küche. Als er dann in ein anderes Restaurant wechselte, rief mich bald danach jemand von dort an und fragte: "Was ist denn das für ein Wahnsinniger, den du uns da geschickt hast? Der nimmt den Leuten dauernd die Pfannen weg, schmeißt sie in den Mist und schreit dabei fürchterlich herum." Na ja, ein kleines Missverständnis zum Thema Gerer-Schüler.
Manfred Buchinger , der die haubenheischende Hochküche längst Richtung Weinviertler Landgasthaus verlassen hat, erzählte mir jedoch vor einiger Zeit, wie er als Küchenchef der "Vier Jahreszeiten" im Wiener Hotel Intercontinental reagierte, als er einmal herabgestuft wurde. Er warf die Kochmütze zu Boden und trampelte herz- und rumpelstilzchenhaft darauf herum. Der Wutausbruch sei ihm damals eine Lehre gewesen; in solche Abhängigkeiten wollte er nicht mehr geraten.
Was ein Restaurantführer mit den Starköchen einer ganzen Stadt anstellen kann, zeigte sich im Übrigen sehr anschaulich im Herbst 2005 in Manhattan. Da verlieh der Guide Michelin erstmals Sterne in New York, und was sich da in den Küchen der leer ausgegangenen Celebrity-Chefs abspielte, mag man sich gar nicht ausmalen. Es reichte, was an die Öffentlichkeit sickerte: "Was? Aus Frankreich sind die? Dann sollen sie auch dortbleiben!" Und: "Ich kenne diese Leute nur als Autoreifenmacher. Sie sollten sich darauf beschränken."
Hier erinnern sich noch zwei Chefs an Vorfälle, die ihren guten Ruf bedrohten:
Toni Mörwald
- Koch und Gastro-Unternehmer
"Bitte, werden S' Maurer, aber begegnen Sie mir nie wieder!" Damit ich so mit meiner Brigade rede, hat Folgendes passieren müssen: Riesiges Bankett, Avocadosalat als Vorspeise. Kurz vor Beginn erfahren wir, dass mehr Gäste erwartet werden. Ich bitte einen Koch, noch ein paar Avocados zu würfeln. Wenig später kommt er und sagt: "Fertig, Chef, ich hab sie schon in den Salat gemischt. Passt das eh?" Na ja, er hat die Früchte wirklich fein geschnitten, allerdings mit Schale - nicht sehr lustig, kurz vor Veranstaltungsbeginn hunderte drei mal drei Millimeter große Avocadowürfel aus dem Salat zu klauben und zu schälen. Ich hab wohl noch nie so gebrüllt. Den Koch habe ich übrigens nur an diesem Abend nach Hause geschickt. Er ist heute einer meiner besten Leute, und alle sagen Avocado zu ihm.
Bernie Rieder
- Restaurant "Das Turm", Wien
Objekte zu werfen, habe ich mir bereits abgewöhnt, und auch dass ich in heiklen Situationen einfach abhaue und verschwunden bin, kommt nicht mehr oft vor. Wo ich früher arbeitete, gab's vor der Küche einen Baum und eine Mülltonne. Dort dagegenzutreten hat immer sehr geholfen. Das letzte Mal habe ich wirklich die Krise gekriegt, als eine Runde von 30 Leuten gefüllte Wachteln bestellte. Meine Köche schlichteten die Vögel aber so eng auf das Backblech, dass die mittlere Reihe völlig roh blieb. Dann kam eine Wachtel nach der anderen in die Küche zurück. In diesem Moment ist mir wirklich ein Tennisball im Hals stecken geblieben. Ich konnte nicht einmal richtig schreien. Was ich nämlich überhaupt nicht mag, ist, wegen meiner Mannschaft vor den Gästen der Arsch zu sein.