Reben-Renaissance auf der Ile-de-France: Über 90 Weinberge im französischen Norden
Die Reblaus und die Urbanisierung hatten den Weinstöcken nach und nach den Garaus gemacht. Im 18. Jahrhundert mit 42.000 Hektar noch das größte Weinbaugebiet Frankreichs, verschwanden die Trauben für einen Weißen oder Roten von der Ile-de-France rund um Paris - von einigen wenigen (eher exotischen) Lagen wie dem kleinen Weinberg auf dem Montmartre einmal abgesehen.
Seit einiger Zeit nun wachsen die Reben wieder, und es kommen ständig neue Weinstöcke dazu. Von einem Mini-Weinberg des Museums für Naturgeschichte im 5. Pariser Arrondissements bis zu den 7.600 Chardonnay-Rebstöcken bei Suresnes reicht die Palette mittlerweile. Und da sie nicht zuletzt Touristen anziehen wollen, geben die Winzer eine "Karte der Weinberge" heraus.
Über 90 Weinberge
"Manchmal ist das wirklich ein Mikro-Weinberg, in den meisten Fällen geht es aber, man mag es glauben oder nicht, durchaus über die simple Folklore hinaus", sagt Christian de Gueronniere, der Gründer des noch recht jungen Winzerverbandes der Ile-de-France (VFR) zu der erstaunlichen Reben-Renaissance im französischen Norden. "Die jungen Winzer gehen wirklich mit viel Engagement an die Arbeit, das ist ein Zurück zu den Ursprüngen und verbunden mit dem Ehrgeiz, Qualität zu erzeugen." Als Gueronniere den Verband 2000 aus der Taufe hob, da gab es bereits wieder an die 90 Weinberge auf der Ile-de-France. In einer "wunderbaren Dynamik" dürften es inzwischen etwa 150 mit zusammen elf Hektar sein - der Pariser Boden ist bestens geeignet für den Weinbau.
Image-Kampagne für Weinberge
"Gut 30 dieser Weinberge bringen es doch auf eine ganz ordentliche Qualität", meint der Chef des Winzerverbandes. Das ist indessen doch nicht das Problem, das die Vorstadt-Winzer auf der Ile-de-France noch haben. Nach den äußerst strengen französischen Weingesetzen kann sich selbst der Ein-Hektar-Weinberg von Suresnes westlich von Paris nicht "Appellation" (mit geprüfter Herkunft) nennen. Die Winzer verhandeln mit der Regionalregierung, wie man das Image der verstreuten kleinen Weinberge jetzt heben kann, um vielleicht eines Tages dort zumindest einen "Landwein" (Vin de Pays) ganz offiziell produzieren zu dürfen.
Wein wird "gestiftet"
Halbwegs in der Illegalität arbeiten diese Winzer. Sie sind keine anerkannten Professionellen und haben nach dem Gesetz eigentlich auch gar kein "Pflanzrecht". Sie können somit ihre Flaschen nicht offen verkaufen. In Issy-les-Moulineaux beispielsweise wird der Wein also "gestiftet", und pro Flasche fließen 15 Euro in die Schulkassen des Ortes. Ähnlich geht es bei der "Mutter aller Pariser Weinberge", dem bereits 1933 wieder neu angepflanzten "Clos Montmartre", zu: Was die etwa 1.900 Rebstöcke so hervorbringen, kommt dem kommunalen Sozialwerk zugute. Im Pariser Landwirtschaftsministerium denken Weinfachleute derweil über eine "spezielle Appellation für die Ile-de-France" nach.
Weinberg mit zwei Reben
Der kulturelle, pädagogische und touristische Wert pittoresker kleiner Weinparzellen mitten in dem umtriebigen urbanen Geschehen ist für alle entscheidend. Gestressten Parisern und der jungen Generation ein Stück Lebenskunst, Identität und Geschichte vor Augen zu führen, dies ist die eine Seite. Touristen aus aller Welt zu demonstrieren, das ein "Clos des Envierges" oder ein "Clos des Morillons" nicht im Burgund oder Bordelais wachsen muss, das ist ihnen ebenfalls wichtig. Allein in Paris gibt es vier kommunale und zwölf private "Weinberge", darunter der Benjamin mit gerade einmal zwei Rebstöcken. Aus alledem soll Zukunft erwachsen - eine, die an eine uralte Tradition anknüpft. (APA/red.)