Straßenwalzen durch die edlen Grand Crus: "Mekka des Weins" von Autobahn bedroht
Aufruhr herrscht in den weltweit wohl bekanntesten Rotweinlagen nördlich von Bordeaux. Widerstand gegen die Staatsgewalt drohen manche Winzer auf dem linken Ufer der Gironde an. Sie sehen ihren tiefrubinroten Klassetropfen der Appellation Margaux gefährdet - durch ein 1,3 Milliarden Euro teures Autobahnprojekt, das die südwestfranzösische Metropole Bordeaux vor einem Verkehrsinfarkt bewahren soll.
Francis Idrac, Präfekt der Region Aquitaine, steht vor der womöglich schwierigsten Entscheidung seiner Karriere. Welche Trasse schlägt er denen in der Hauptstadt Paris vor? Immerhin geht es um einen der feinsten und teuersten Roten im Weinparadies Frankreich.
Flaggschiff auf Konfrontation
"Margaux - die berühmteste Herkunftsbezeichnung der Welt, zerstört von einer Autobahn?" Auf Protestschildern mitten in ihren Weinbergen rund um das Flaggschiff "Chateau Margaux" rufen die Winzer bereits seit geraumer Zeit dazu auf, eine Petition gegen die Baupläne für eine nördliche Umgehung von Bordeaux zu unterzeichnen. Sie machen somit mobil gegen den "nicht hinnehmbaren Anschlag auf französisches Kulturgut" und fragen mit bitterer Ironie: "Wann droht die Autobahn durch die Gärten von Versailles?" Was kommt auf die Haut-Medoc-Lagen zu? Was würde der Genießer und Literatur-Nobelpreisträgers Ernest Hemingway sagen, war doch seine Enkelin nach dem Wein benannt worden?
14.000 Autos pro Tag
Das Allerschlimmste hat der Präfekt aber schon abgewendet: Um eine "Verkehrsthrombose in zehn Jahren" zu verhindern, hatten Experten auch zwei Trassen vorskizziert, die südlich des Städtchens Margaux mitten durch die Weinberge geführt hätten. Was noch kommen kann, ist eine Autobahn, die das Margaux-Gebiet nördlich einschnürt - wenn sich die Behörden wegen des lauten Widerstands nicht doch für eine Trasse weiter von Margaux entfernt und näher an Bordeaux entscheiden. Fünf Jahre werden die Arbeiten dauern. Die Weinmetropole Bordeaux braucht diese Entlastung. Auf dem "atlantischen Korridor" von der spanischen Grenze nach Nordfrankreich befahren täglich mehr als 14.000 Fahrzeuge die bisherige "Rocade" (Umgehung) direkt vor den Toren der Stadt. Und im Jahr 2025 werden es - je nach Schätzung - 20.800 bis 23.800 sein.
Cuvée aus Cabernet und Asphalt
Die Margaux-Winzer um ihren Präsidenten Gonzague Lurton haben drei gute Gründe, auf die Barrikaden zu gehen. "Unsere Kunden kommen doch nach Margaux, um dieses Mekka des Weins zu sehen, das ist ihr Traum", sagt Weinbauer Geoffroy de Luze. "Wenn sie auf ein Lastwagen-Defile stoßen, werden sie die Flucht ergreifen." Weit schwerer könnten die möglichen Auswirkungen der Bauarbeiten auf den besonderen Boden sein, eine Mischung aus Sand und Kies, so ideal für den Cabernet Sauvignon.
Sensibles Mikroklima gefährdet
"Gigantische Arbeiten an der Autobahn könnten den sensiblen Wasserhaushalt des Bodens völlig durcheinander zu bringen", warnt Lurton. "Bei mir sind Rebstöcke eingegangen, nur weil in der Nähe ein Graben angelegt worden ist." Jeder Weinkenner weiß, dass bereits minimale Veränderungen an Bodenbeschaffenheit oder Mikroklima bei Spitzenweinen "herausgeschmeckt" werden können, von der Qualität ganz zu schweigen. Also fürchten die Winzer nicht zuletzt, dass sich die Abgase einer täglichen Blechlawine auf ihre Reben niederschlagen. (APA/red)