Tanz der Moleküle - Die neue Kochkunst:
Die Zukunft der trendigen Molekularküche
Die Molekularküche breitet sich immer weiter aus. Bei der diesjährigen documenta wird der spanische Avantgardekoch Ferran Adrià erstmals sogar als Künstler gefeiert. Gehört den neuen Küchenkapriolen tatsächlich die Zukunft?
Auch so kann sich eine Speisekarte lesen: "Passionsfrucht-Jelly mit Lavendel und Röstbrot, übergossen mit flüssigem Stickstoff" als Vorspeise. Hauptgang: "Bonbons von der Entenstopfleber mit Karamell und Senf-Eiscreme mit Rotkraut-Gazpacho" oder "Gänselebereislutscher mit 80 Prozent Schokolade", dazu "Briochewürfel geflämmt und in Stickstoff getaucht". Und wer dann noch Appetit auf ein Dessert hat, der kann sich einen "geeisten Dauerlutscher von Roten Rüben mit Joghurt" oder "Mon Chérie mit Pipette" zu Gemüte führen.
Zwischen Küche und Labor
Solche Schöpfungen im Grenzland zwischen Küche und Labor entstammen nicht dem Gehirn eines Kochs, dem der Küchendunst zu Kopf gestiegen ist, sondern der sogenannten Molekularküche. Diese Art der Küche erfährt derzeit eine fast explosionsartige Ausweitung. Ob in Frankreich, Spanien, England, den USA oder in Österreich - immer mehr Küchenchefs kochen inzwischen nach Rezepturen, die sich wie Kurznotizen aus Wissenschaftsmagazinen lesen.
Heimische Küchenwissenschafter
Auch in Österreich hat der neue Küchentrend mittlerweile einige Verfechter hervorgebracht. Vor allem Heinz Hanner im niederösterreichischen Mayerling sieht sich als Protagonist der neuen Szene. "Die Molekularküche hat das Potenzial, dass sich Menschen mit dem Thema Geschmack erstmals geistig intensiv befassen", lautet seine These, "die Küche ist momentan in einer absoluten Übergangsphase."
Definition Molekularküche
Was ist nun tatsächlich dran am Umgang mit den tanzenden Molekülen für den Magen? Und vor allem: Was bedeutet der Begriff Molekularküche eigentlich? Eine eindeutige Antwort ist bis heute mehr oder weniger ausgeblieben. Die Pioniere dieses Genres verstehen darunter eine Art zu kochen, die nach Erkenntnissen von und in enger Zusammenarbeit mit Naturwissenschaftlern erfolgt. Daraus entstanden Techniken, die in der traditionellen Küche bislang in dieser extremen Form kaum oder gar nicht angewendet wurden. Durch die Initiierung chemisch-physikalischer Prozesse entstanden neue Texturen, verbunden mit gänzlich unbekannten Geschmackskombinationen.
Aktivierung besonderer Hirnregionen
Hartgesottenen Molekularköchen geht es nicht um das bloße Wohlbefinden nach einem guten Essen, sondern um die Aktivierung bestimmter Hirnregionen, um die Beeinflussung des Unterbewusstseins. So arbeitet etwa der englische Kochavantgardist Heston Blumenthal vom Restaurant Fat Duck, nahe bei London, gerade an einem Versuch, seine Gäste nicht nur mit Laborküche, sondern auch mit bestimmten Klängen zu beglücken - und zu verwirren. Blumenthal schneidet etwa eine Auster in zwei Hälften und lässt die Gäste beim Essen über Kopfhörer verschiedenen Geräuschen lauschen. Bei der einen Hälfte sind Rinder, Schweine und Hühner zu hören, bei der anderen Meeresrauschen. Ergebnis: "Nicht nur, dass die meisten Gäste die Hälfte mit dem Meeresrauschen besser und frischer finden", so Blumenthal, "fast alle sind überzeugt, dass diese Hälfte auch deutlich salziger schmeckt."
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