Wagners Gourmet-Kritik: Einkehrschwung des Feinspitz im Gasthaus Brod in Wr. Neustadt

Dass aus einem alten Gasthaus ein "Chinese" wird, kommt häufig vor. Viel seltener ist der Fall, dass ein Chinalokal wieder als Gasthaus "repatriiert" wird, und noch seltener ist es, wenn die Sache so perfekt klappt, wie sie Maria und Christian Brodträger in der Wiener Neustädter Bahngasse gelungen ist.

Die beiden sind in Niederösterreichs gastronomischem Bilderbuch freilich keineswegs unbeschriebene Blätter. Während der letzten Jahre machten die Brodträgers nämlich im elterlichen Gasthof Stickelberg in Hollenthon von sich reden, den sie auf 633 m Seehöhe als Musterbetrieb der Wirtshaus-Renaissance etablierten. Während die Eltern den Betrieb jedoch nunmehr als "traditionelles Landgasthaus" weiterführen, sind Marias viel gerühmte Kochkünste mittlerweile "stadtfein" geworden.

"China Neustadt"
In den in unprätenziöser Schlichtheit eingerichteten Barockgewölben hat Maria Brodträger den Bratl-und Blunzenradius endgültig überschritten und hält sich dabei an Virgina Woolf: "Man kann weder gut denken noch gut lieben noch gut schlafen, wenn man nicht gut gegessen hat." Gerade die Liebe scheint bei Frau Maria besonders durch den Magen zu gehen. Wenn sie, was zunächst nach Küchenmanierismus klingt, "Blunzenmaki" anbietet, so übernimmt sie vom japanischen Vorbild nur die Form, verzichtet jedoch auf Algen und Reis, sondern bleibt erfreulicher Weise bei Erdäpfeln, Blutwurst und Speck. Das verleiht den Maki einen ironischen Unterton, und sie bleiben dennoch im Land.

Geschmorte Schweinswangerl
Ihrer sichtlichen Vorliebe, Grundzutaten in verschiedenen Metamorphosen anzubieten, frönt Frau Maria auch im Umgang mit dem Kalbskopf, den sie einmal in crossem Brot gebacken auf lauwarmem Erdäpfelsalat und einmal als Gröstl anrichtet. Für eine Vorspeise zugegebenermaßen etwas opulent — aber man kann ja danach auf einen "schlanken" Zander ausweichen, ein perfekt gebratenes, crosses Mittelstück, auf Belugalinsen und Rahmkohl serviert, die kleine Portion um 10, die große um 14 Euro, angesichts der Qualität fast ein Geschenk. Deftiger präsentieren sich schon die geschmorten Schweinswangerln mit Zellerpüree und Wurzelgemüse, die ebenfalls keinen Wunsch offen lassen.

Veltliner Smaragd von Gmöch
Christian Brodträger spielt auf der Klaviatur seiner exzellenten Weinkarte nahezu alle Stückeln und bietet rund ein Dutzend Weine glasweise an, darunter auch Trouvaillen wie einen Veltliner Smaragd von Gmöch oder den Taranis von Welkovits. Zum Kennenlernen bestellt man am besten — allerdings nur dienstags und mittwochs, und nur gegen Voranmeldung — das "Fünfgängige" mit 3 Gläsern Wein um wohlfeile 45 Euro. Apropos: Wer vom Bahnhof zehn Minuten zu Fuß geht, der trinkt ohne Reue.

Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog:
www.speising.net

Brod
Adresse: Bahngasse 1, 2700 Wiener Neustadt
Telefon: 0 26 22.281 07
Web: www.gastwirtschaftbrod.at
E-Mail: office@gastwirtschaftbrod.at
Öffnungszeiten: Ruhetag(e): So, Mo; Küchenzeiten: 11-14, 18-23 Uhr