Wagners Gourmet-Kritik der Woche: Der Top-Kritiker speist in der Emiglia Romana
Wäre ich nicht in der testessenden Zunft unterwegs, sondern im Casting des ORF beschäftigt, so wäre für mich klar: Wenn es je so etwas wie einen österreichischen Jamie Oliver geben kann, so muss er Christoph Winkler heißen. Er hat mit dem großen Jamie nämlich die Leidenschaft und den telegen-irrlichternden Blick gemeinsam, kann aber im Gegensatz zu diesem mit einer fundierten Kochvergangenheit in ersten Häusern aufwarten.
Zuletzt war der 25jährige als Chefrôtisseur im Linzer Gourmettempel Verdi und als Sous-Chef des Hohenfels in Tannheim an insgesamt fünf Gault-Millau-Hauben beteiligt. Ja und dann traf er Rudi Buzasi. Der ist ein alter Kämpe aus Witzigmanns legendärer Aubergine-Servicebrigade und ein dionysisch-unsteter Geist, der stets an anderen Orten auftaucht, dort für einiges Aufsehen sorgt und wieder verschwindet.
Ferrari-Bar
Zuletzt hörte man von ihm, er habe in Wien eine Ferrari-Bar eröffnet, deren Hauptattraktion darin bestehe, dass man die Cocktails dort in einem veritablen Cabrio schlürfen dürfe. Allein: Die Sache mit dem Ferrari lief nicht. Geblieben ist davon nur der Name Maranello, der an das Geburtsstädtchen des Ferrari in der Emilia Romagna erinnert, und die semioriginelle Idee, die (allerdings mit durchwegs erstklassigen Tropfen aus Wien und Umgebung bestückte) Weinkarte in Formel weiß, Formel rot und Formel plus (Rosé, Süß- und Schaumwein) zu gliedern. Statt des Ferrari stehen jetzt ziemlich todchice Wohnzimmermöbel herum, wo man, wie weiland in den 60ern, in der Fernsehhocke speisen und tief nach hinten sinken kann. Die Küche ist im Verhältnis zu soviel Chrom und Glanzlack auf eine geradezu wundersame Weise erdverbunden. Das beginnt bereits damit, dass Christoph Winkler, von den köstlichen Bärlauchbratwürsten und Blunzen, die er als Vorspeise auf Naschmarktkraut kredenzt, bis hin zu den deliziösen Bonbons, die er am Schluss zum Espresso reicht, alles selbst herstellt.
Kakaobohne und Erdäpfelteig
Er schmeckt, was man vor allem auch am wirklich überzeugenden und (fast ein wenig zu) originell servierten Beef Tatar merkt, mutig ab und vermag sich auch mit Pfeffersud zum Lamm oder Morchelsauce zu Spargel und Schweinsfilet durchaus feinnervig zu spielen. Nur die (herrlich saftigen) Schweinebackerln im Erdäpfelteig in Schokosauce waren denn doch zu hoch gespielt. Da wollte sich zwischen Kakaobohne und Erdäpfelteig einfach keine Harmonie einstellen. Andererseits: Wer spielt in der heutigen Gastronomie schon noch so hoch, dass er auch ein mögliches Scheitern einkalkuliert? Also am besten gleich noch einmal Schokolade, und in der Tat: Der flüssige Schokokuchen mit weißem Chilieis machte alles wieder gut. (red.)
Maranello Bar-Lounge-Restaurant
1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 2
Tel.: 01-208 40 80
Ruhetag: Samstag und Sonntag
Info:
www.maranello.at
Prädikat: ein extravaganter Platz mit innovativer Küche
Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog:
www.speising.net