Wagners Gourmet-Kritik der Woche: Der Top-Kritiker im Heer der "Drei Husaren"

Gerade erst hat "Jahrhundertkoch" Joel Robuchon in seinem neuen Pariser L'Atelier die Tische durch Tresen ersetzt und die Tischwäsche als "Kommunikationshemmer" abgeschafft.

Demnächst wird uns Red-Bull-Mateschitz im Tandem mit 4-Hauben-Jörg-Wörther in Salzburg und Zürich davon überzeugen wollen, dass es für große Küche nicht einmal eines Bestecks, sondern lediglich der Finger bedarf.
Kein Wunder also, dass in den Kochbuchverlagen schon fest gegrübelt wird, welcher Trend nach dem Verkauf des Tafelsilbers als nächstes am Programm stehen wird. Und fast alle sind sich einig: "Retro" wird die nächste Welle heißen. Und sie wird geradewegs zu Muttis in Pink gehaltenen 60ies Kochbüchern führen, mit all ihren knallbunten Mayonnaiseschiffchen, Shrimpscocktails, Schinkenröllchen, russischen Eiern und den unverwüstlichen "Châteaubriands" mit Sauce Béarnaise und bunten Gemüsen.

Retro-Restaurants muss man besitzen
Gastronomisch betrachtet hat die Retrowelle freilich einen Haken: Retro-Restaurants lassen sich nur schwerlich neu gründen, sondern man muss sie -inklusive entsprechender Patina - bereits besitzen. So gesehen hat Uwe V. Kohls von den Attacken des Zeitgeists in den letzten Jahren stark angeknabberter Luxusliner Drei Husaren gute Chancen, demnächst wieder an der Spitze des Fortschritts zu segeln. Die dazugehörige Ikone steht in Form des Hors d'Oeuvre-Wagens bereit, der sich bei Bedarf (und die Auslastung der "Husaren" ist wieder beständig steigend) auch zu einer veritablen Flotte aus fünf opulent gefüllten Hummer-, Gänseleber-, Shrimps-, Gemüse-, Aspik-und Pastetenfregatten ausrollen lässt.

Vom Flügel ans Elektroklavier
"Noch vor wenigen Jahren", erinnert sich Uwe V. Kohl, "habe ich ernsthaft überlegt, den Wagen endgültig in die Garage zu räumen. Doch jetzt rüsten wir ihn wieder auf." Wie Kohl, nach gelegentlichem, aber letztlich erfolglosem Liebäugeln mit der Zeitgeist-Cuisine seinen "Husaren" auch in Sachen Ambiance einen Schritt zurück verordnet hat: Jetzt glitzern sie wieder, die güldenen Hirschen auf den Lüstern, die Stimmung ist wieder etwas schummriger geworden, und die Pianistin ist vom Flügel an der Bar ans Elektroklavier im Saal übersiedelt.

Benimmkurse für Gourmets
Auch die Küche hat sich nach allerlei Schwankungen wieder auf einem durchaus zufrieden stellenden Niveau stabilisiert und fühlt sich vor allem beim Althergebrachten (Hummerbisque, gedünstete Beiried mit Krautfleckerln, Lammrücken, Zwiebelrostbraten, Husaren-Pfannkuchen) sichtlich wohl. Dass Kohl gemeinsam mit der Tanzschule Elmayer neuerdings Benimmkurse für Gourmets anbietet, ist daher auch nur folgerichtig. Denn die Rückkehr des Essbestecks wird wohl ebenso unaufhaltsam wie die Retrowelle sein.

Drei Husaren
Adresse: Weihburggasse 4, 1010 Wien
Telefon: 01.512 10 92-0
Fax: 01.512 10 92-18
Web: http://www.drei-husaren.at
Öffnungszeiten: Ruhetag(e): keine; Küchenzeiten: 12-15, 18-23 Uhr

Leitung: Uwe Kohl
Menüpreis: €€€€
Kreditkarten: Visa, Mastercard, American Express, Diners Club
Besonderheiten: täglich Pianomusik
Öffentliche Verkehrsmittel: U 1, U 3 Stephansplatz

Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog:
www.speising.net