Wagners Gourmet-Kritik der Woche: Geschmackserweiterung in Ungarn

Die ungarische Küche gilt, nicht ganz zu Unrecht, als gefährlich. Im besten Fall kann man darauf süchtig werden, im schlechtesten daran zugrunde gehen, und im Normalfall wird man davon zunehmen. Für zaghafte kulinarische Grenzübertritte empfehlen sich, je nach Stand- und Trinkfestigkeit, höchst unterschiedliche Zugänge.

1. Der unverfänglichste Zugang
Wer in Ungarn in typisch „altösterreichischer“ Atmosphäre kulinarisch auf Nummer sicher gehen will, tue dies am besten in der schönen Grenzstadt Köszeg. Dort wird im alten Stadtturm der intakten Befestigungsanlage von einem Ungarn und einer Österreicherin ein blitzsauberes Restaurant mit moderat-ungarischer und akzentuiert-italienischer Küche geführt. Hier kann man sich an lauen Sommertagen im schmuck begrünten Burggrabengärtchen an feinen ungarischen Weinen delektieren und — sicherheitshalber — nach Herzenslust Pasta essen.

2. Der gesunde Zugang
Fit und schlank mit ungarischer Küche? — Ja, auch das gibt´s. Unter den zahlreichen alten Schlössern, die seit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Ungarn revitalisiert wurden, zählt Szidónia zweifellos zu den gediegensten. Hier kann man nicht nur urbanen Stress bei einem prächtigen Wellness-Angebot (Badehaus im Schlosspark) von sich abfallen lassen, sondern auf Herend-Porzellan auch leichte und gesunde Gerichte wie Gemüseragout im Dinkeltascherl mit Steinpilzsauce genießen.

3. Der feinschmeckerische Zugang
Patron und Küchenchef József Horváth zählt zu Ungarns bekanntesten Köchen und präsentiert in seinem romantischen Restaurant in Neusiedlerseenähe bei Kerzenlicht und auf schönem Tafelsilber eine ungarische Küche abseits der üblichen Convenience-Sünden. Hórvaths Liebe gehört vor allem der ungarischen Trüffel und dem ungarischen Wein, der im malerischen Gewölbekeller lagert.

4. Der Hardcore-Zugang
Dass Opa Perkovátz in den 20ern in einem Pub in Liverpool tätig war, sieht man dem Restaurant, das in einem der ungezählten sehenswerten Altstadthäuser der Barockstadt Sopron untergebracht ist, heute noch an. Der Duft nach Graurindgulasch, Welspaprikasch mit Schafstopfennockerln oder Topfenfleckerln mit Grammeln hat allerdings gar nichts Britisches an sich. Die Küche ist mit „Ungarisch für Furchtlose“ am besten beschrieben. Aber sage keiner, er sei nicht gewarnt worden: Auf der Speisekarte sind die Kalorien pro Portion penibel angegeben: Bei den Fleckerln sind es pro Person 841, beim Welspaprikasch unglaubliche 1667. Da kommen einem die Somlóer Nockerln mit 1332 Kalorien geradezu als „lässliche Sünde“ vor.

  • Taverna Florian , 9730 Köszeg, Várkor 59, Tel: 003694/56 30 72, 003630/21 59 947, So abd und Montag Ruhetag, Fr-So auch mtgs., sonst nur abends geöffnet
    Prädikat: Ungarn am Mittelmeer
  • Szidónia Kastélyszálloda (Schlosshotel) 9451 Röjtökmuzsaj, Röjtöki út. 37, Tel.: 003699-544-810, kein Ruhetag, Info: www.szidonia.hu
    Prädikat: Pannonisches Wellness-Paradies südöstlich von Deutschkreutz
  • Ráspi Restaurant und Vinarium , 9421 Fertörákos, Fö u. 78, Tel: 003699/355-146, kein Ruhetag
    Prädikat: Gourmandise á l hongroise
  • Perkovátz-Ház , 9400 Sopron, Széchenyi tér 12, Tel.: 003699/316-839, kein Ruhetag
    Prädikat: Ungarisch für Furchtlose

Webtipp: Christoph Wagners Weblog:
www.speising.net