Wagners Gourmet-Kritik der Woche: Zu Besuch am Trottoir der Marc-Aurel-Straße!

"Wo bitte bekommt man in Wien einen echten Panaché de Mer wie in Nizza oder an den großen Boulevards von Paris?" - Hätte ich mir alle Leserbriefe aufgehoben, die ich zu diesem Thema in den letzten zwei Jahrzehnten bekam, ich könnte damit meine Küche tapezieren.

Noch vor einem Vierteljahr hätte ich meinen Lesern auf ihre Anfrage nur ein frankophiles "Je suis malheureux" entgegenhalten können. "Tut leid, Freunde, Wien liegt nun einmal nicht am Meer, und die französische Küche hat's hier auch nicht leicht." Doch dann kam Denis König, und seither ist alles anders.

Am Trottoir der Marc-Aurel-Straße
Als er das altehrwürdig-mauschelige Journalistencafé Salzgries ausputzte und durch ein helles Bistro mit vielen Spiegeln und cleanem Schauküchen-Charme ersetzte, mag so mancher noch skeptisch gewesen sein. Doch mittlerweile hat der aus Nizza stammende gelernte Bauingenieur, der seine Liebe zum Kochen zum Beruf machte, seine Ideenbausteine zu einem veritablen Geschmacksgebäude verbunden. Und siehe da: Plötzlich sieht man sich selbst, Austern (Gillardeau, Fines de Claire, Belons, Creuses de Bretagne, Marennes, Papillons) schlürfend, Wellhornschnecken kauend und in Strandschnecken herumstochernd am Trottoir der Marc-Aurel-Straße sitzen.

Vom Salzgries zum Le Salzgries
Die Stühle sehen aus wie vom Boulevard des Capucines importiert, die Tische sind weiß gedeckt, und ihrer Mitte steht eine mit kiloweise Eis gefüllte Silberschale, aus der die Champagnerflaschen munter ihre schönen Hälse mit den vielsagenden Staniolkrausen recken. Kurzum: Aus dem alten "Salzgries" ist "Le Salzgries" geworden, und Wiens kleine, aber verschworene Gemeinschaft von frankophilen Hardcore -Schlemmern hat endlich jenes originale "Bistrot", das sie sich schon seit Jahrzehnten durch ausdauerndes Warten verdient. Dazu gehört neben dem Panaché (der Meeresfrüchteplatte, die inkl. halbem Hummer und Taschenkrebs mit 85 Euro zu Buche schlägt und für zwei Esser ein gewaltiges Hauptgericht oder für vier eine generöse Vorspeise ist) selbstverständlich auch die echte Pariser Bistroküche, der sich Denis König, der sein Handwerk u.a. bei Starkoch Manfred Buchinger erlernte, mit aller nötigen Konsequenz verschrieben hat.

Frankophile Weinkarte
Da fehlt es vom puristischen Kalbskopf, den provençalischen Froschschenkeln, der hausgemachten "Terrine de foie gras", der Taschenkrebssuppe, dem hauchzarten, mit Artischocken gebratenen Lammrücken und den idealtypisch-handgeschnitzten Pommes Frites zum formidablen "Tatare de boeuf" an nichts - auch nicht an einer vorwiegend frankophilen Weinkarte (durchwegs schöne Gewächse im leistbaren Bereich) samt der zugehörigen, sehr atmosphärischen Kellerbar.

Le Salzgries
Adresse: Marc Aurel-Strasse 6, 1010 Wien
Telefon: 01.533 40 30
Fax: 01.533 40 30-20
Web: www.le-salzgries.at
Öffnungszeiten: Ruhetag: Mo;
Küchenzeiten: Di-So 10-23; Bar: Di-Sa 17-1 Uhr

Web-Tipp: Christoph Wagner's Weblog:
www.speising.net