Was Wilhelm Busch nicht ahnte: Max und Moritz Vorbild für moderne Foodstylisten

Moderne Küche hin oder her, wenn es um Brathendl geht, heißt das Vorbild immer noch Wilhelm Busch. Denn in den Bildergeschichten über die bösen Buben Max und Moritz, die der armen Witwe Bolte die Hühner aus der Pfanne angeln, findet sich das Idealbild des Brathuhns - zumindest für Köche und Foodstylisten.

Um dieses Vorbild zu erreichen, stopft Andreas Pöschel das appetitliche Tier mit Küchenpapier aus, bis es prall und rund ist. Die Hühnerschenkel klebt er mit Sekundenkleber fest, damit sie hochstehen. Dann zieht er die Haut des Hendls straff und näht sie fest. Schließlich "lackiert" er die Haut mit einem dunklen Gewürzöl, bevor das Tier in den Ofen kommt. Mit einem Gasbrenner bräunt er einzelne Stellen gezielt nach.

Der 40-Jährige ist Foodstylist - einer der gefragtesten. "Es ist schwer, in den Markt reinzukommen", erklärt Pöschel, der sich auf Fernseh-Spots spezialisiert hat. Auf dem TV-Markt seien weltweit rund 350 Foodstylisten aktiv, schätzt er.

Diesmal beschäftigt den Bielefelder jedoch ein Fotoshooting für den Katalog einer Warenhauskette. Das Thema lautet Oktoberfest, also richtet er Brezeln, Käse und Salate, aber auch Weißwürste oder Bier für den Fotografen an. "Das Thema Essen interessiert fast jeden", kommentiert der Düsseldorfer Fotograf Oliver Perl. Das nächste Projekt ist der Weihnachtskatalog - mitten im Sommer.

Es sind die kleinen Details, die für das Entzücken der Kunden sorgen sollen, das Wassertröpfchen, das am Glas hinunterläuft, der Schaum auf dem Bier. Sogar die Löcher im Käse: Dem Emmentaler rückt Pöschel mit einem Ausstecher zu Leibe. "So hilft man der Natur dann häufig nach", erklärt er. Um das am vermeintlich kalten Bierglas herabperlende Wasser zu imitieren, behandelt er das Glas mit Autopolitur, dann sprüht er eine Mischung aus destilliertem Wasser, Glyzerin und Silikon auf. Das Wasser verdunstet, die Glyzerin-Silikon-Tropfen bleiben.

"Man überlässt nichts dem Zufall", betont er. Auch nicht bei dem dafür notwendigen Wasserzerstäuber, den er in einem finnischen Nasenspray-Fläschen fand. Der Pilskrone verleiht er mit einem Verdickungsmittel aus Algen Halt, dann bläst er den Schaum mit einem Strohhalm auf.

"Es gibt eine alte Weisheit: "Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte"", sagt der Düsseldorfer Marketingexperte Bernd M. Michael, Präsident des Deutschen Marketing Verbandes. Die Macht der Bilder sei um ein Vielfaches größer als die Wirkung geschriebener Texte. Die Kunst sei, Schlüsselbilder in die Köpfe der Kunden einzupflanzen, die sofort die Erinnerung an bestimmte Marken wachrufen. "Aber das gelingt nur etwa zehn Prozent der Foodstylisten."

Darum hat Pöschel viele Tricks auf Lager. Bei Suppen gießt er erst einen festen Spiegel aus Gelee und füllt dann die Suppe auf, damit Croutons oder Fleisch zu sehen sind. Mayonnaise macht Pudding cremig, Pizzaböden werden per Farb-Sprühpistole nachgebräunt und Schokolade ist aus gefärbter Kunstharzmasse - damit sie beim Dreh nicht schmilzt. Doch wenn es irgend geht, will er nicht mit künstlichen Dingen arbeiten. "Der Glaube an gutes Essen darf nicht zu kurz kommen", sagt der 40-Jährige, der mit 17 Jahren deutscher Jugendmeister der Köche und im Alter von 22 Küchenchef in einem Bielefelder Nobelrestaurant war. (apa/red)