Wiens Würstelstände seit Kaisers Zeiten

"Eine Wurst essen ist ein emotionales Erlebnis", schwärmt Josef Bitzinger. Der im laut eigenen Angaben "legendären" Weinhaus Alsergrund aufgewachsene Wiener muss es wissen. Schließlich vertritt Bitzinger nicht nur die Gastro-Branche als Spartenobmann der Wirtschaftskammer, sondern nennt zudem zwei Würstelstände sein Eigen. "Ich bin seit 40 Jahren im Geschäft", erzählt Bitzinger. Fast Food mit folkloristischem Anstrich gibt es hierzulande indes schon weit länger: "Das war bereits in der Monarchie Standard."

Wiens Würstelstände seit Kaisers Zeiten

Wie viel Würstelstände es in Wien genau gibt, ist schwer zu sagen. Die Wirtschaftskammer listet aktuell 441 Stände, wobei hier auch die Kategorie Kebap miteingerechnet ist. Denn eine genaue Spezifizierung gibt es nicht. Außerdem werden in der Aufstellung nur die Inhaber gezählt. Hat jemand mehrere Buden, wird er trotzdem nur einmal registriert.

Wurststadl mit Geschichte
Fix ist, dass schon im 19. Jahrhundert Würstelverkäufer durchaus verbreitet waren, wobei die geschäftstüchtigen Untertanen damals noch mit Handkesseln und Wägelchen unterwegs waren. Später verkaufte man aus fahrbaren Ständen, die Tag für Tag herangekarrt und wieder weggeschafft wurden. Als letztes Relikt aus dieser Zeit blieb einzig der bekannte "Mariahilfer Wurststadl" beim Generali Center.

Bestellen in Zentimetern
Fixe Buden bereichern erst seit den 1960er-Jahren zusehends das Stadtbild. Mit heutigen Standln mit ihrem üppigen Sortiment hatten diese aber wenig zu tun. "Da gab es nur Gekochtes. In Kübeln mit heißem Wasser sind die Würstel herumgeschwommen", erinnert sich der Branchenkenner. Die Burenwurst, "das Billigste überhaupt", habe außerdem oft als gefüllter ganzer Darm, als Acht-Kilo-Monstrum, auf ihre Kunden gewartet. Wer Appetit hatte, bestellte in Zentimetern. Der Mann oder die Frau hinter der Budel schnitt die gewünschte Menge dann herunter und verrechnete nach Gewicht.

Schwerpunkt bei gegrillter Ware
"Gekochte Würste werden immer noch gegessen, aber heute liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der gegrillten Ware", so der Spartenobmann. Vor allem Käsekrainer, Waldviertler oder Klobasse, wie die Burenwurst noch genannt wird, lassen das Würstel-Business brummen. Bitzinger selbst verkauft an seinen zwei Ständen bei der Albertina und im Prater rund 40 Tonnen im Jahr. Was die Pacht betrifft, verlange die Stadt drei Prozent des Umsatzes - "ein enormer Quadratmeterpreis für ein Stückl nackten Asphalt".

Steigende Qualität
Trotz allgemeinen Trends hin zu bewusster Ernährung demonstriert der Kommerzialrat dennoch Gelassenheit. Es handle sich beim Würstel ja nicht "per se" um "ein total ungesundes Lebensmittel". Die Qualität der Produkte sei im Vergleich zu früher massiv gestiegen. Man brauche nur die Wurstfabriken besuchen: "Dort rennen die Leute herum wie in einem OP-Saal", verweist Bitzinger metaphorisch auf strenge Hygienevorschriften: "Und man will sich ja auch hin und wieder was vergönnen."

Tradition setzt sich durch
Unmittelbarere Konkurrenz als Slow Food oder vegane Bio-Küche sind da schon die inzwischen allgegenwärtigen Döner-, Pizza- und - seit jüngster Zeit - Asia-Nudel-Stände. Doch auch das bringt den Chef-Würstelstandvertreter nicht aus der Ruhe: "Die Zeit der glücklichen Nudeln ist schon wieder vorbei. Und was Kebap betrifft: Also großes Wachstum seh' ich dort nicht." Es sei eben doch so, dass sich Tradition letztlich durchsetze: "Das ist wie bei der Wiener Küche - 100 Mal totgesagt und sie läuft."

apa/red - 17