Winzer Matthias Hengl hebt gerne ab: in die Welt des Heavy Metal oder in luftige Höhen
Winzer Matthias Hengl hebt gerne ab: zuweilen in die Welt der Musik oder in luftige Höhen mit selbst zusammengebauten Modellfliegern.
Matthias Hengl, 44, ist immer daham aufgwachsen, wie es sich für ein Bauernkind ghört. Sein Elternhaus steht in der Cobenzlgasse in Wien-Döbling, seine Buschenschank in der Iglaseegasse, quasi ums Eck. Bis Hengl zu seinem Brotberuf gefunden hat, sind viele Weinlesen ins Land gezogen, allerdings ohne ihn. Dafür hat er wilde Musik gemacht und Modellflieger gebastelt. Beides tut er noch heute gerne.
Orientierungslos und musikbesessen
Eigentlich wollte ich Gärungstechniker werden, doch das viele Rechnen war nicht so das meine, gesteht Hengl. Er entschied, die Weinbauschule zu absolvieren, und studierte danach Wirtschaftsinformatik. Trotz Abneigung gegen das Rechnen? Eine gute Frage, hab ich mir auch gedacht und das Studium abgebrochen. Ich war lange orientierungslos.
Das Einzige, was mir Spaß gemacht hat, war Musik. Ein bisserl inspirierte ihn wohl die Mutter, sie spielte Klavier. Der Vater hatte keine Ahnung von Musik. Das war gut, so konnte ich meine eigene Kompetenz ausbauen. Gefreut hat den Vater nicht, dass ich aufs Schubert Jazzkonservatorium gegangen bin, doch net gschimpft ist gnua globt, lacht Matthias über seine Sturm- und-Drang-Zeit.
Irgendwann hat Hengl den Pianisten Jo Meixner getroffen, der damals ein Engagement am Wiener Simpl hatte. Hengl durfte für den Jazzer Synthesizer und Computer programmieren. Später war er dann Gitarrist und Chorsänger, machte zwischendurch Studioarbeiten und spielte kleinere Partien. Auch die Heavy-Metal-Welle hat Hengl nicht ausgelassen: Ich habe mit vier Persern gespielt.
Das war echt cool. Wir mixten Vierviertel- und Siebenachteltakte. Das ist total schräg und hört sich an, wie wennst gegen eine Mauer fährst. Der trashigen Zeit folgte alsbald die Ernüchterung: Irgendwann hatte er genug vom Hardrock. Ich bin in Tirol auf einer Bühne gestanden und dachte mir: Was mach ich da? Einen Monat später habe ich all meine Bandverpflichtungen gecancelt, erzählt Hengl.
Der Ernst des Lebens begann
Der junge Mann entsann sich seiner Wurzeln und stieg 1997 in den elterlichen Betrieb ein: den weithin bekannten Weinproduzenten und Wiener Heurigenbetrieb Hengl-Haselbrunner. Die Mutter überschrieb Sohn Matthias die Hälfte der Firmenanteile. Der hat sich dafür ins Zeug gelegt, die Buschenschank modernisiert und das Weingeschäft vorangetrieben. Heute umfasst die Anbaufläche 13 Hektar mit klingenden Namen wie Riede Reisenberg, Hungerberg, Nußberg, Purgstall und Schlegl. Nebstbei bewirtschaftet Hengl für andere wie den Journalisten Georg Wailand, die Firma Kattus oder den Heurigen Maly deren Rebflächen.
Veredelung durch slawisches Blut
Die Buschenschank Hengl-Haselbrunner, so der Hausname des Betriebes, hat 360 Tage im Jahr geöffnet. Unsere Familie heißt Hengl, den Haselbrunner haben wir in den Siebzigern zugekauft, erklärt Winzer Hengl. Unsere Ahnen sind im 14. Jahrhundert aus dem Rheingau eingewandert, weil sie von den Protestanten vertrieben wurden. Das germanische Blut ist aber durch viel slawisches Blut veredelt worden.
Gearbeitet wird das ganze Jahr über. Im Sommer geht die Landwirtschaft schon um sechs Uhr los, das macht Gott sei Dank mein Vater, sagt Hengl. Die Hauptsorten sind Cabernet Sauvignon, Shiraz und neuerdings Roesler, eine Sorte, die gegen Mehltau resistent ist. Ich mache täglich zwei Schichten in der Buschenschank, nachmittags und abends, sieben Tage die Woche. Im Winter sind Schneiden und Renovieren angesagt und das Hobby: Flugzeugbauen.
Fliegen ist wie Radfahren
Ich baue seit meinem zwölften Lebensjahr Modellflugzeuge, sogenannte Semi-Scale-Modelle. Die sind dem Vorbild ähnlich, aber es muss sie im Original gar nicht geben. Leider konnte ich die Dinger nie lange in der Luft halten. Was den Weinbauern oft geärgert hat: Erst sparst ein halbes Jahr, dann bastelst ein halbes Jahr, und kaum hebt der Flieger ab, zerschellt er wieder am Boden.
Die Problemlösung kam zu Hengls Vierzigstem: Freund Roy schenkte dem Winzer ein paar Übungsstunden mit einem Lehrer. Der sagte: Schau, Burli, probier mal, eine Stunde geradeaus zu fliegen, und dann machst eine Kurve. Das ist so leicht wie Fahrradfahren. Er hatte Recht. Wenn Hengl und sein Spezi Roy ihre Modelle jetzt in Korneuburg fliegen lassen, sitzen sie stundenlang auf ihren Klappstühlen und reden kein Wort, außer: Schau, wow, host gsegn. Basteln ist für Hengl wie Meditieren: Da kann ich alles andere ausblenden.
Am liebsten schleift er. Mit Akribie bearbeitet er den Rohling so lange, bis dieser aussieht, als wäre er mit Autolack überzogen. Krönender Abschluss der Präzisionsarbeit: Motive auf den Rumpf sprayen. Am gelben Segler (siehe Bild), einem Modell des Klassikers ASW 20, hat Hengl seine Handynummer verewigt; wenn der sich verfliegt, kann er mich wenigstens anrufen.
Heute ist Hengl alles andere als orientierungslos. Gemeinsam mit Freundin Agnes Palmisano, die behinderte Kinder unterrichtet und für ihre Wienerlieder und Chansons bekannt ist, will er sein neuestes Projekt angehen, und das heißt Kinderplanung. Ich möchte mindestens zwei von dieser Sorte, bekräftigt Hengl sein Vorhaben.
Bild: Puzzle-Arbeit. Wenn Matthias Hengl seine Modellflieger
zusammenbaut, braucht er viel Geduld. Am liebsten schleift er
den Rohling, bis der glänzt wie ein neues Auto.
Die gesamte Geschichte lesen Sie im Format Nr. 33/08!