Wo der Döner besser als der Hummer ist:
Christoph Wagner über die "Hummerbar"
In der Wiener "Hummerbar" ist fast alles noch wie im Gründungsjahr 1970. Aber nicht alles ist gut.
Klingt nach rabenschwarzem Tag: Da hat man einen Tisch vis-à-vis der Schauküche und sieht zwar die Köche, wird aber selbst vom Service umso weniger wahrgenommen. Als dieser endlich ankommt, bietet er keinen Aperitif an, deckt aber ein hübsches Gedeck mit Butterflocken und Gemüserohkost, allerdings ohne Gedeckmesser, ein. (Pech für die Butterflocken.) Man bestellt eine Flasche Sauvignon und einen Hummer Thermidor. Welche Größe? Na, sagen wir 700 bis 800 g. Gibt es nicht. Nur größer oder kleiner. Okay, lieber kleiner.
Ein Achterl aufs Haus
Nach einiger Zeit kommt der bestellte Sauvignon, allerdings in einer Schraubverschluss-Flasche. Der Kellner schraubt und will einschenken. Was er nicht sieht (oder sehen will), ist, dass in der Flasche bereits ein gutes Glas fehlt. Kellner geht ab und bringt eine neue, diesmal volle Flasche. Man isst tadellose fleischige Belon-Austern (ganz ohne Splitter), etwas übermariniertes Gänselebercarpaccio und zuletzt den Hummer, der ein bisschen so aussieht, als sei er irrtümlich in einem Schweizer Käsefondue versenkt worden.
Slapstick in der Schauküche
Dafür sorgt die Schauküche für Unterhaltung. Die Köche schauen so mürrisch, als wären sie hierher strafversetzt worden. Ein Kellner bringt einen reklamierten Lachs zurück. Der Koch inspiziert das inkriminierte Stück und schleudert es wie in einem Slapstick-Film voll Zorn wieder auf den Teller. Der Kellner sieht sich veranlasst, das "Arrangement" vor dem nochmaligen Servieren nachzujustieren.
Das Serviceloch
Zeit, das zu beobachten, gibt's genug. Da jeder Kellner für jeden Gast, aber auch keiner für niemanden wirklich zuständig zu sein scheint, fällt man leicht in ein Serviceloch und wird nur durch Herumwacheln wahrgenommen.
Döner als Retter
Nein, dies alles ist nicht mir passiert, sondern zwei kundigen, ansonsten aber keineswegs überkritischen Damen, die ich gerne um "Standby-Tests" bitte, bevor ich ein Restaurant kritisch unter die Lupe nehme. Mein eigener Eindruck war, ehrlich gesagt, doch um etliches besser. Zwar musste auch ich eine Viertelstunde in der Warteschleife verbringen, bevor ich meinen Bellini am Tisch hatte. Außerdem fühlte ich mich echt weltläufig, weil mich ein Kellner auf Englisch ansprach. Mein Hummer-Cocktail wäre ohne die welken Frisée-Blätter idealtypisch "retro" gewesen. Das Assortiment vom Lachs war, ebenso wie die Qualität des Anglers, tatsächlich einer Hummerbar von Weltklasse würdig. Die "Servicelöcher" gab's auch bei mir. Dafür ließ ich mich vom Teufel reiten und bestellte die "Hausspezialität Döner Kebab" um 19 Euro. Der Döner war zu meiner großen Überraschung jeden Cent wert: Feinste Fleischqualität, zartes Holzkohlearoma, grandioses Auberginenpüree, köstlicher Reispilaw. Ich werde meine Standby-Testerinnen wohl noch einmal zum Döneressen einladen müssen.
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Hummerbar
1010 Wien
Mahlerstr. 9
Tel.: 01/512 88 43
www.hummerbar.at
Im Lokalführer zu finden unter:
Hummerbar