
Astrid Lamarche
©Bettina NiedermannDie gebürtige Oberösterreicherin bringt von ihrer Wahlheimat San Diego aus nicht nur den US-Amerikanern bei, wie der perfekte Strudel, duftendes Brot und traumhafte Mehlspeisen gelingen. Auch immer mehr Österreicher (und Profiköche) tummeln sich mittlerweile unter den 210.000 Followern von Astrid Lamarches Instagram-Profil „Austrian Cravings“.
Begonnen hat es mit der kulinarischen Sehnsucht nach der Heimat und dem Wunsch, dass ihre Töchter mit dem Geschmack Österreichs aufwachsen: Nachdem Astrid Lamarche der Liebe wegen nach San Diego gezogen war, fehlten ihr das köstliche Brot und Gebäck, aber auch die heimeligen Mehlspeisen von Mama und Oma. Lamarche begann, österreichischer zu kochen, als sie es zu Hause in Altenberg jemals getan hatte. Die US-amerikanischen Freunde waren begeistert und zeigten so viel Interesse, dass die Oberösterreicherin schließlich begann, ihre Rezepte auf Instagram zu teilen. Der Name „Austrian Cravings“ (Gusto auf Österreichisches) war Programm, und dieses lieben mittlerweile nicht nur die Follower in der Wahlheimat. Auch immer mehr Österreicher sind von Lamarches Strudeln, Tascherln & Co. begeistert. Sogar zahlreiche Profiköche von Sepp Schellhorn über Viktoria Fuchs bis zu Stefanie Herkner lassen sich gerne von Lamarches Heimatgelüsten anstecken.
In San Diego fehlt mir das Flanieren durch die Stadt. Wie typisch das für Österreich ist, wurde mir erst in der Ferne so richtig bewusst.

Astrid Lamarche
© Bettina NiedermannInterview mit Astrid Lamarche
Sie leben seit zehneinhalb Jahren in San Diego. Was vermissen Sie an Österreich am meisten?
Das Vermissen kommt immer in Wellen. Man kann in Südkalifornien toll leben, die Menschen haben eine gute Einstellung, alles ist nach vorne gerichtet und das Wetter großartig. Das Leben ist nur wesentlich teurer als in Österreich, das ist ein Wermutstropfen. Und mir fehlt das Flanieren durch die Stadt. Wie typisch das für Österreich ist, wurde mir erst in der Ferne so richtig bewusst. Früher bin ich nach Wien oder Linz gefahren, habe ein bisschen in die Schaufenster geschaut, ein Eis und einen Kaffee gekauft, ein Weckerl beim Bäcker. So etwas gibt es hier nicht, weil die Städte anders ausgebaut und auf den Autoverkehr ausgerichtet sind. Auch die Ästhetik der Gebäude ist nicht so ansprechend. Wenn ich in Wien unterwegs bin, denke ich mir an jeder Ecke, wie schön alles ist. Dieses Gefühl tanke ich bei Österreich-Besuchen immer bewusst auf. Ach ja, und das ganz große Vermissen-Thema ist natürlich das Essen.


Was fehlt in Sachen Kulinarik besonders?
Abgesehen vom Brot: dass die Mama oder Oma für einen kochen, außerdem das nette Essengehen im Gasthaus oder Beisl. Und dann so manche Zutat, die ich hier nicht bekomme oder die das Drei- bis Vierfache kostet. Im Sommer packe ich in Österreich immer einen riesengroßen Koffer voll: unter anderem mit diversen gemahlenen Mohnsorten, die ich einfriere. Mohn gibt es hier nur als Deko, er wird kaum verwendet. Plus Ribiselmarmelade, Powidl, Grieß, Kürbiskerne, Kürbiskernöl und Käse.
Bringen Sie auch eine Art kulinarische Geheimwaffe mit?
Meine Geheimwaffen kann ich in San Diego kaufen, sie sind aber hier völlig unüblich und eher unbekannt. Einerseits ist das Majoran. Das ist für mich das wahrscheinlich wichtigste Gewürz fürs österreichische Kochen. Davon verbrauche ich richtig viel, vor allem bei Gulasch und Braten. Für meine Brote ist es Kümmel. Damit schmeckt das Brot voller und kompletter.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, Ihre Backwerke auf Instagram zu teilen?
Ich habe alles gebacken, was mir aus Österreich gefehlt hat, vor allem Brot, Briochezöpfe, Striezel und Kekse. All das habe ich auch verschenkt und bin dann immer wieder gedrängt worden, meine Sachen auch zu verkaufen. In Amerika geht das viel leichter als in Österreich, man muss sich einfach nur registrieren. Die Kunden haben mich gebeten, dass ich via Instagram teile, was ich verkaufe. Das ist dann auf immer mehr Interesse gestoßen und je mehr ich mich hineingetigert habe, desto größer wurde die Community. Mit meinen Strudeln ist das Ganze im Sommer 2023 förmlich explodiert. Mittlerweile biete ich sogar Onlinekurse an, bei denen ich mein Strudelwissen teile.


Was fasziniert die Menschen an den traditionellen Backwaren?
Bei den Auslandsösterreichern, die ihre Heimat vermissen, stillt es sicher eine gewisse Sehnsucht, wenn sie mir beim Backen zusehen oder lernen, wie sie selbst backen können. Und viele Amerikaner, die schon mal in Österreich Urlaub gemacht haben, freuen sich, dass sie Dinge wiederentdecken, die sie gemocht haben, etwa Kaiserschmarrn und Knödel.
Für Ihre Strudel sind Sie auf Instagram berühmt. Sind Sie das auch im Privaten bei Familie und Freunden?
Auch privat denken viele bei mir sofort an Brot und Strudel. Es gibt hier so Potlucks, das sind Privatveranstaltungen, wo jeder etwas zum Essen mitnimmt – da bringe ich immer frischen, süßen Strudel mit. Den kannte man in dieser Form hier nicht und die kommen dann immer wahnsinnig gut an. Ich werde mittlerweile schon direkt für das Süße eingeteilt!


Sie sagen, dass Sie das traditionelle Backen erst so intensiv zelebrieren, seit Sie in San Diego leben. Gibt es ein Backwerk, an dem Sie bisher gescheitert sind?
Semmeln, die sind für mich die größte Challenge! Den Semmelteig so hinzubekommen, dass er die Form behält. Und dann auch noch das Semmel-Einschlagen, das ist richtig schwierig. Ich habe es schon so oft probiert, aber wirklich gelungen ist es mir bisher nicht. Ich sehe mir Profivideos dazu an, aber diese spezielle Handbewegung beim Einschlagen bekomme ich bisher noch nicht hin. Macht es Ihnen Spaß, sich solch einer Challenge zu stellen? Ich probiere gerne Neues aus. Ehrlicherweise mache ich das auch gerne, wenn ich Besuch bekomme, was vielleicht ein wenig riskant ist, mir aber totalen Spaß macht. Aber wenn ich mich einem Gericht stelle, das eine Herausforderung und mit viel Aufwand verbunden ist, dann möchte ich, dass das Ganze von mehreren Menschen gegessen wird. Letztes Jahr habe ich zum Beispiel ein Gansl gemacht, weil das hier in den Restaurants kein Thema ist. Eine Premiere für mich! Großes Learning: Der Preis, den mir der Fleischer genannt hatte, war pro Ounce gemeint und nicht für die ganze Gans. Sagen wir es so: Es war eine so teure Gans, dass mein Mann, der sie geholt hat, meinte, die müsse jetzt wirklich sensationell werden. Meine Gäste hatten so ein Gansl auf jeden Fall noch nie gegessen und es ist sehr gut angekommen!
Apropos Gäste: Was macht für Sie einen guten Gast aus?
Ich mag es, wenn Gäste ein Gespür für die Gepflogenheiten eines Haushalts haben. Wenn sie ohne viel zu sagen durchs Beobachten mitbekommen, wie etwas in dem Haus, in dem sie zu Gast sind, gemacht wird. Bei mir zu Hause ist das etwa, dass man sich die Schuhe auszieht. Das ist für Amerikaner sehr ungewöhnlich, die finden das manchmal unangenehm, falls die Socken nicht so ganz zum Outfit passen.


Und was ist Ihnen bei Gastgebern wichtig?
Ein guter Gastgeber schaut, dass er mit allen Leuten spricht, nicht immer nur mit der besten Freundin oder der gleichen Gruppe. Und er versucht, Gäste miteinander zu verbinden, überlegt sich vielleicht schon im Vorfeld, welche ähnlichen Interessen manche haben.
Gibt es jemanden, den Sie gerne einmal als Gast hätten? Für den Sie beispielsweise gerne Ihre beliebten Powidltascherl oder einen Strudel backen würden?
Das gibt es tatsächlich, und daran ist ein wenig meine Instagram-Community schuld. Bei meinen Strudelvideos kommen immer wieder Kommentare, die sich auf die berühmte Strudelszene in Inglorious Basterds mit Christoph Waltz beziehen. Ich bekomme auch immer wieder Memes dazu geschickt. Deshalb fände ich es ganz spannend, einmal einen Strudel für Christoph Waltz zu backen. Abgesehen davon gibt es auch jemanden, mit dem ich gerne mal zusammen kochen würde: Paul Ivic. Ich war im Sommer in seinem Tian essen, und alles war ein Traum. Von ihm würde ich gerne mehr über das vegetarische Kochen lernen.


Rezept: Astrids Powidltascherl


Astrids Powidltascherl
© GUSTO / Barbara Eidler-SterZutaten
350 g mehlige Erdäpfel
175 g Mehl
50 g Grieß
1 Prise Salz
30 g weiche Butter
1 Eigelb
Powidl (mit ein bisserl Rum angerührt)
Brösel:
60 g Butter
100 g Semmelbrösel
Mehl, Staubzucker, Zucker, Zimt, Salz
Erdäpfel weich kochen. Wasser abgießen, Erdäpfel schälen und gut auskühlen lassen.
Mehl mit Grieß und Salz mischen. Die Erdäpfel hineinpressen. Butter und Eigelb dazugeben und rasch zu einem Teig kneten. Nicht zu lange kneten, sonst wird die Konsistenz gummihaft. Eine Metall-Teigkarte ist hier sehr hilfreich. Teig in Klarsichtfolie wickeln und 1 Stunde im Kühlschrank rasten lassen.
Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche etwa 3 mm dick ausrollen. Scheiben (Ø 8 cm) ausstechen. Pro Scheibe 1 Esslöffel Powidl in die Mitte setzen, Scheibe zuklappen und Teigränder fest verschließen.
Für die Brösel Butter in einer großen Pfanne erhitzen und Semmelbrösel darin goldbraun rösten. Etwas Zucker und wenig Zimt unterrühren.
Währenddessen in einem großen und breiten Topf leicht gesalzenes Wasser zum Sieden bringen und die Tascherl ca. 7 Minuten leicht köcheln lassen. Die fertigen Tascherl vom Topf direkt in die Butterbrösel geben und wälzen. Gleich essen!
Tipp: Wer es besonders süß mag, kann noch ein bisserl Staubzucker drüberstreuen.


Von Astrid Lamarche lernen
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Das Interview wurde in GUSTO November 2024 veröffentlicht.











